Hindernisse im Job mit hämophilie A

Hindernisse im Job mit Hämophilie A

Vor einigen Jahren hatte ich mit einem beruflichen Rückschlag zu kämpfen …

Im Juni 2007 wurde ich im Thema “Job mit Hämophilie A” beruflich und mental gesehen einige Meter zurückgeworfen. Zur damaligen Zeit arbeitete ich in einem privat geführten Mobilfunkshop in einem Einkaufszentrum in der Nähe von Hannover. Das Einkaufszentrum und somit auch der Shop lagen in unmittelbarer Umgebung unserer damaligen Wohnung. Tagein, tagaus verrichtete ich meinen Job dort mit viel Elan und Motivation und kam immer recht beschwingt nach Hause.

Manchmal kommt alles anders

Aber eben nicht an Tag „X“ mitten im Juni 2007. Ganz normal ging ich zur Arbeit – trotz Schmerzen in einem meiner beiden Sprunggelenke, mit denen ich schon seit einigen Tagen aufgrund einer Einblutung zu kämpfen hatte. Aber das hieß für mich trotz allem: arbeiten gehen. Der Shop öffnete immer um 10 Uhr. Lange vor der Ladenöffnung kam ich im Shop an, machte dort meine gewöhnlichen Vorbereitungen.

Irgendwann erschien die Chefin. Im Laufe des späten Vormittags bat sie mich zu einem Gespräch, das für mich sehr überraschend kam. In diesem Gespräch erklärte mir die „gute Dame“, dass sie mich sofort nach Hause schicken würde und ich auch nicht mehr kommen müsste zum Arbeiten. Die Gründe dafür seien zum einen, dass sie mich nicht mehr bezahlen könne, weil das Geschäft nicht laufen würde. Zum anderen wollte sie mich aufgrund meiner Schwerbehinderung nicht mehr behalten.

Aber warum das? Schließlich wusste sie schon, dass ich Hämophilie A Patient war. Und in meinem Arbeitsvertrag war das auch vermerkt, da ich als Arbeitnehmer so fair war und es angegeben hatte. Zudem bekam sie für mich vom Arbeitsamt auch noch einen dementsprechenden Zuschuss, weil sie mich beschäftigte.

Nach diesem Gespräch blieb mir nichts anderes übrig: Ich MUSSTE nach Hause gehen. Ich ging gedankenverloren, traurig, planlos und wie aus dem Leben gerissen nach Hause. An unserm Balkon bin ich auf dem Nachhauseweg immer vorbeigelaufen – so auch an diesem Tag. Meine Frau war gerade dabei, die Wäsche auf dem Balkon aufzuhängen. Da sah sie mich, ihren Mann, mit hängendem Kopf an sich vorbeilaufen. Als ich die Wohnung betrat, fragte sie mich: „Was ist denn mit Dir los?“ Ich antwortete ganz stupide: „Ich werde nicht mehr gebraucht!“

Meine Frau verstand erstmal nichts. Mir kamen die Tränen und sie nahm mich in den Arm und tröstete mich. Ich war völlig aufgelöst und fühlte mich total abgewertet. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, erzählte ich dann, so gut es ging, alle Einzelheiten. In mir selbst kamen an diesem Tag und auch lange danach Zweifel an mir selbst und meinem Dasein auf.

Überleben

Schließlich hatten wir seit der Geburt unserer Zwillinge jetzt gemeinsam 6 Kinder zu Hause. Und ich war der Vater, das Familienoberhaupt, das die Familie ernährte. Nun aber war Knall auf Fall Schluss damit. Der Rest des Monats verging und das nächste Elend erwartete uns als Familie. Meine ehemalige Chefin hatte mein Gehalt nicht überwiesen – noch nicht einmal einen Bruchteil dessen. Nun war guter Rat teuer. Aber meine Frau und ich hatten ohnehin schon die Idee, uns rechtsanwaltlich vertreten zu lassen. Doch es musste eine Lösung her, die unseren Lebensunterhalt sicherte. Und die hieß: Jobcenter. Ein Martyrium!!!

Also ab zum zuständigen Jobcenter, sich dort bis aufs Letzte offenbaren und fast „betteln“! Zum Glück bekamen wir aber schnell einen persönlichen Antragstermin. Auch der Bewilligungsbescheid kam innerhalb von wenigen Tagen. Somit war wenigstens das Überleben für eine Großfamilie gesichert. Aber es blieb ein bitteres Übel: der Rechtsstreit mit der ehemaligen Arbeitgeberin. Meine Frau kundschaftete eine sehr gute Rechtsanwältin in Hannover aus und kurzerhand vereinbarten wir bei dieser einen Termin.

Meine Rechtsanwältin brachte alles in Gang, damit zeitnah ein Termin vor dem Arbeitsgericht in Hannover stattfinden konnte. Es mussten drei Termine bei Gericht stattfinden, da sich meine ehemalige Arbeitgeberin nicht auf einen Vergleich einließ. Laut ihrer eigenen Aussage war SIE im Recht.

Bei jedem der Termine betonte sie, dass ich ja schwerbehindert sei und sie so jemanden nicht gebrauchen könne. Aber sie hatte mich ja schließlich eingestellt und wusste, dass ich schwerbehindert bin. Und genauso sah es das Gericht auch. Auf die Frage, warum sie mir mein Gehalt nicht gezahlt hatte, kam die Antwort: „Warum soll ich dem denn Gehalt zahlen, wenn er schwerbehindert ist und nichts kann?“ Das war dem Richter eindeutig zu viel: ihre Intoleranz und die Diskriminierung von Schwerbehinderten.

Am letzten Verhandlungstag fällte der Richter ein beeindruckendes Urteil: Meine ehemalige Chefin musste mir meine drei entgangenen Monatsgehälter nachzahlen. Zudem sollte ich einen Nachteilsausgleich gezahlt bekommen und eine Entschädigungszahlung in nicht unerheblicher Höhe, weil sie mich aufgrund meiner Hämophilie A vor Gericht diskriminiert hatte.

Das Urteil stand fest, war nach der üblichen Frist rechtskräftig und die Zahlung kam NICHT!!! Meine Rechtsanwältin leitete die rechtlichen Schritte zur Beitreibung der Beträge ein. Und dann wurde bei der „guten Dame“ angefangen zu pfänden.

Letztendlich ging alles doch noch reibungslos von Statten und ich erhielt meine Zahlungen. Der bittere Beigeschmack der Diskriminierung im Job durch Hämophilie A blieb jedoch lange Zeit bestehen. Aber trotz allem sollte man seine Rechte kennen und in Anspruch nehmen und sich nicht von anderen als „minderwertig“ abstempeln lassen.


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