Was ist Shared Decision Making?
Shared Decision Making (SDM) steht für die gemeinsame Entscheidungsfindung von Ärzt:in und Patient:in. Im Deutschen wird es auch „Partizipative Entscheidungsfindung (PEF)“ genannt. Der:Die „Patient:in von heute“ soll in seiner:ihrer Gesundheitskompetenz gestärkt und in therapeutische Entscheidungen einbezogen werden und diese möglichst mittragen.
Kernpunkt von SDM ist eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Mediziner:innen und Betroffenen mit dem Ziel, die für den:die Patient:in bestmögliche Behandlung zu finden. Alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und dann auch gemeinsam getragen. Denn: Die Konstellation des:der „entscheidenden“ Ärzt:in und des:der „folgsamen“ Patient:in gilt für viele als nicht mehr zeitgemäß.
Info
Die Ziele von SDM sind:
– die Ärzt:innen-Patient:innen-Kommunikation zu verbessern
– gemeinsam auf Augenhöhe über eine angemessene medizinische Behandlung zu entscheiden und diese zu verantworten,
– die Therapie für Patient:innen zu optimieren und dadurch
– die Erfolgschancen einer Behandlung zu erhöhen und die Lebensqualität zu verbessern
Voraussetzung für eine gemeinsame Entscheidungsfindung ist, dass sowohl der:die Ärzt:in als auch die betroffene Person Fragen stellen und Antworten geben. Der:die Ärzt:in informiert den:die Patient:in ausführlich und laienverständlich über die verschiedenen Diagnoseverfahren und Therapieoptionen. Die betroffene Person spricht offen über persönliche Anliegen und Präferenzen. Außerdem fragt sie nach, wenn etwas unklar ist.
Die richtige Entscheidung treffen mithilfe von SDM
Du siehst, beide Parteien tragen eine gewisse Verantwortung für ein gelungenes SDM. Denn nur, wenn Du die möglichen Therapieoptionen verstanden hast und Du Deinem:Deiner Hämophilie-Behandler:in mitgeteilt hast, was Dir bei einer Behandlung wichtig ist, könnt Ihr gemeinsam die für Dich richtige Entscheidung treffen.
Und dabei geht es nicht nur um die medikamentöse Behandlung. Shared Decision Making ist bei der Behandlung Deiner Erkrankung allumfassend und bezieht auch Aspekte wie Physiotherapie, Bewegung und Ernährung mit ein.

Die Bausteine von Shared Decision Making
Shared Decision Making besteht aus vier wesentlichen Bausteinen, die essenziell für eine erfolgreiche Umsetzung sind. Dazu gehören:
- Das Training der Ärzt:innen: Mithilfe von Trainings wird Ärzt:innen das nötige Wissen über das Konzept SDM vermittelt. Anschließend können sie in echten Entscheidungsgesprächen ihre Kenntnisse festigen und erhalten Feedback.
- Die Qualifizierung der Pflegekräfte: In Schulungen zur Entscheidungsbegleitung lernen Pflegekräfte, Betroffene bei der aktiven Entscheidungsfindung zu unterstützen.
- Die Aktivierung der Patient:innen: Patient:innen und Angehörige werden motiviert und ermutigt, aktiv die Ärzt:innen anzusprechen, nachzufragen und sich so aktiv an einer Therapieentscheidung zu beteiligen.
- Evidenzbasierte Entscheidungshilfen: Patient:innen können sich umfassend in Online-Entscheidungshilfen über ihre Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten informieren. Diese dienen der Ergänzung und ersetzen selbstverständlich nicht das Gespräch mit dem:der Ärzt:in.
Wie kann ich mich als Patient:in aktiv einbringen?
Patient:innen sind heute besser informiert, das Ausmaß ihrer Gesundheitskompetenz hat zugenommen. Dennoch gibt es folgende Voraussetzungen, die Du als Patient mitbringen solltest:
- Lerne, Fragen zu stellen.
- Artikuliere Deine Präferenzen.
- Benenne Dein Therapieziel.
- Beteilige Dich aktiv am Management Deiner Erkrankung.
Welche Vorteile hat SDM?
Durch SDM kann nicht nur die Kommunikation und das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:in und Patient:in verbessert werden. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass Therapieentscheidungen, die durch SDM gefallen sind, von den Patient:innen besser und dauerhafter befolgt werden – sie sind adhärenter als andere Patient:innen.
Das liegt auch daran, dass sie besser über die Therapie informiert sind und mehr hinter der Entscheidung stehen. Dadurch erhöhen sich das Therapieoutcome und die Lebensqualität der betroffenen Personen.
Shared Decision Making im Gesundheitswesen
Ärzt:innen stehen jeden Tag vor der Herausforderung, komplexe Sachverhalte laiengerecht zu erklären. Dabei muss nicht nur der:die Patient:in selbst beachtet werden, sondern oft auch Angehörige miteinbezogen oder kulturelle und ethnische Besonderheiten berücksichtigt werden. Das ist nicht immer einfach und deshalb sind entsprechende Schulungen wie die von SDM für Mediziner:innen eine gute Hilfestellung.
Das Bedürfnis nach Information und Austausch bzw. Mitsprache bei verschiedenen krankheitsassoziierten Themen gestaltet sich in Abhängigkeit vom Alter der Patient:innen und den damit zusammenhängenden, aktuellen Lebenssituationen sehr unterschiedlich. SDM findet noch nicht in allen Kliniken und Praxen statt. Doch das soll sich ändern.
Idealerweise ist SDM irgendwann in der Regelversorgung etabliert, und Therapieentscheidungen werden immer gemeinsam von Ärzt:in und Patient:in getroffen. Shared Decision Making könnte der Schlüssel zu einer besseren Gesundheitsversorgung, einer größeren Patient:innenzufriedenheit sowie einer höheren Lebensqualität sein.
Deine Rolle als Patient bei SDM
Shared Decision Making kommt Dir als Patient also sehr zugute. Voraussetzung ist jedoch, dass auch Du Deinen Teil dazu beiträgst. Zwar sind Ärzt:innen nach dem Patientenrechtegesetzt und den Leitlinien dazu verpflichtet, Patient:innen über alle therapeutischen Optionen sowie deren Nutzen und Risiken zu informieren und in die Therapieentscheidung miteinzubeziehen. Doch das funktioniert nur, wenn die Patient:innen auch gewillt sind, sich zu informieren und an der Entscheidung zu beteiligen.
Bei SDM sollst Du als Patient gehört werden – aber dafür musst Du auch was tun. Bereite Dich auf das Gespräch mit Deinem:Deiner Hämophilie-Behandler:in vor, notiere Dir Fragen und deren Antworten, frag nach, wenn etwas unklar sein sollte und – eine Deiner wichtigsten Aufgaben – befolge die von Euch gemeinsam festgelegte Therapiestrategie.
Nur so kann Deine Therapie erfolgreich sein und Du kannst trotz der Hämophilie A eine hohe Lebensqualität genießen. Du merkst: SDM bringt Dir nur Vorteile. Sprich Dein Behandlungsteam beim nächsten Besuch darauf an.
Mehr Informationen zum Thema „SDM“ findest Du auf den Seiten der Stiftung Gesundheitswesen und dem VFA Patientenportal.
Oder schau Dir unser Video dazu an und erfahre mehr:
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Quellen:
- Stiftung Gesundheitswissen SDM
- Publikation: Zolnierek KB, DiMatteo MR. Physician communication and patient adherence to treatment: a meta-analysis. Med Care. 2009;47(8): 826-34.
- VFA Patientenportal SDM
- VFA Patientenportal Patienten-Arzt-Kommunikation
- Techniker Krankenkasse SDMUniversitätsklinikum Schleswig-Holstein SDM
- Deutsche Rheuma-Liga; Plenarvortrag: Der chronisch Kranke und sein Arzt | Die Emanzipation des Patienten: Von der partizipatorischen Entscheidungsfindung bis zur Wahrnehmung kollektiver Patientenrechte; Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin Deutsche Rheuma-Liga, Bundesverband; 2013
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