Das erste Fahrrad – Gedankengänge
Der Moment nicht-hämophiler Eltern: Ach, wie stolz man ist, wenn das erste Fahrrad für das eigene Kind kommt! Gedanken schwirren: Wie Mama und Papa den ersten Schub geben und ihm zusehen, wie er allein losfährt. Gemeinsame Radtouren, Abenteuer auf zwei Rädern – das perfekte Bild einer glücklichen Familie auf Entdeckungstour! 😊
Der Moment hämophiler Eltern: Herrje, was machen wir hier? Ein Fahrrad für unser (schwer-hämophiles) Kind! Die Gedanken drehen sich um Blutungen, blaue Flecken und gebrochene Knochen bei jedem Versuch, die Balance zu finden. Radtouren? Ja, vielleicht. Aber nur mit festem Klinikplatz. 👻
Die Herausforderung mit schwerer Hämophilie
Unser Sohn Moritz wurde mit schwerer Hämophilie geboren. Für alle, die neu hier sind: Das bedeutet, dass sein Blut ohne Prophylaxe gar nicht gerinnen kann. Kleinste Verletzungen, die für andere unbedeutend wären, können zur Gefahr werden. Doch die Medizin hat Fortschritte gemacht: Eine gezielte Prophylaxe verschafft ihm inzwischen eine Art künstliche Blutgerinnung. Sie ist kein Ersatz für die Gerinnung eines gesunden Kindes, aber eine solide Basis. Durch die Behandlung wird unser Alltag ein bisschen entspannter, und es werden Dinge möglich, die wir uns vor Jahren kaum vorstellen konnten. Es bleibt jedoch eine ernste Erkrankung mit einem möglichen Grad der Behinderung von bis zu 100 (mehr geht auch nicht).
Mit einer guten Prophylaxe lässt sich die Welt gemeinsam mit Spaß erkunden. Uns ist wichtig, dass unser Sohn eine relative Freiheit genießen und selbst Entscheidungen treffen darf. Ebenso sind wir derzeit in einer Art Findungsphase – oder sagen wir vielleicht Testphase –, was an sportlichen Aktivitäten möglich ist und was er für sich selbst gerne mag. Hier versuchen wir, die Hämophilie gar nicht so weit in den Vordergrund zu stellen, sondern zu überlegen, unter welchen Voraussetzungen wir das ermöglichen können. Und dann kam der Tag, als unser Vierjähriger entschied: „Ich würde gerne ein richtiges Fahrrad haben.“
Auf der Einkaufsliste: Fahrrad, Helm und Protektoren
Tatsächlich konnten wir im Vorfeld mit einem qualitativ hochwertigen Laufrad schon die ersten gemeinsamen Zweiraderfahrungen machen. Er hatte hier schon eine gute Koordination und ein gutes Körpergefühl entwickelt – sprich die gefühlte Basis für ein Fahrrad war da. Letztlich entschieden wir uns, schnell seinen Wunsch zu unterstützen. Gedanklich gingen wir die nötigen Vorbereitungen durch, um alle notwendigen Vorkehrungen treffen zu können.
Wir organisierten Equipment wie Arm, Knie- und Schienbeinprotektoren. Ebenfalls musste ein geeigneter Fahrradhelm her. Hier haben wir bewusst in qualitativ hochwertiges Equipment investiert.
Dann war es so weit: Gemeinsam fuhren wir in unseren Fahrradladen des Vertrauens. Nach gründlicher Beratung und mehrmaligem Probesitzen fanden wir schließlich das perfekte Fahrrad für ihn. Dabei war uns besonders wichtig, dass er selbst das Modell aus der passenden Auswahl aussuchen durfte. Schließlich sollte es sein Fahrrad sein und ihm wirklich gefallen. Auch bei der Qualität des Fahrrads machten wir keine Kompromisse und wählten bewusst ein hochwertiges Modell, das stabil und sicher ist.
Auf den Sattel. Fertig? Los!
Der stolzeste Moment? Als er das Fahrrad ganz allein aus dem Laden schob – mit leuchtenden Augen und einem Lächeln, das alles überstrahlte. Natürlich wollte er sein neues Schmuckstück sofort ausprobieren. Der Anfang war, sagen wir, etwas wackelig: Aufsteigen, Lostreten und dann auch noch die Balance halten – eine echte Herausforderung! Wir halfen beim Aufsteigen und schoben an, und siehe da: Das eigentliche Fahren klappte erstaunlich gut. Nur das Bremsen – na ja, das braucht wohl noch etwas Übung.
Und dann, ganz klassisch, der erste Sturz! Dank der Protektoren blieb alles heil, aber uns Eltern hat der Moment mal wieder den Atem stocken lassen. Unser Sohn hingegen? Den packte sofort der Ehrgeiz: Wieder aufstehen, rauf aufs Rad und es erneut versuchen!
Unsere ersten Fahrradabenteuer als Familie – sicher und mit Spaß
Für die ersten Fahrten suchten wir sichere Orte mit wenig Gefälle. Der perfekte Ort dafür? Der flache, weite Fahrradhimmel in Holland. Das gab ihm die Freiheit, das Radfahren Tritt für Tritt zu üben. Anfangs war alles noch etwas wackelig wie zu Hause: Das Aufsitzen und Anfahren funktionierten nur mit Hilfe. Doch dann ging es auch schon los – auch wenn die Bremsen gelegentlich ignoriert wurden. Der unvermeidliche erste Sturz im Urlaub kam selbstverständlich auch. Dank der Protektoren gab es zum Glück keinen Kratzer. Trotzdem hatten wir als Eltern auch hier wieder mal ein paar Herzstillstände. Unser Sohn hingegen? Der Ehrgeiz packte ihn immer noch, und er machte sich wieder und wieder ans Üben.
Und dann stand endlich unsere erste gemeinsame Familienradtour an. Sie führte tatsächlich an befahrenen Straßen entlang, und ich habe heute noch den Ohrwurm unserer nicht enden wollenden Anweisungen im Kopf: „Mach langsam, pass auf, bleib hier, nicht so schnell … wir haben gesagt ‚Nicht so schnell!‘ Sei vorsichtig …“ Irgendwann hatte unser Sohn genug und holte uns mit einem entnervten Seufzer zurück auf den Boden der Tatsachen: „Ihr Eltern seid echt voll nervig, lasst mich mal!“ Seine Ansage saß, und so versuchten wir, uns ein wenig zu entspannen – mit eher mäßigem Erfolg.
Über die nächsten zwei Wochen zogen wir jeden Tag zu kleinen Radtouren los, oft mit stolzen Strecken von bis zu 20 Kilometern. Ich gebe zu, mit meinem E-Motor neben ihm – tapfer ohne Unterstützung –, kam ich mir hin und wieder etwas schäbig vor. Aber gut, ich schiebe das mal auf mein Alter! Letztlich entwickelte er sich zu einem echten kleinen Profi auf zwei Rädern, mit einer Begeisterung und einem Durchhaltevermögen, das uns jeden Tag aufs Neue stolz machte.
Sicherheit und Freiheit – der ewige Balanceakt
Als Eltern eines Kindes mit schwerer Hämophilie stellt sich uns täglich die Frage: Wie viel Schutz ist nötig und wie viel Freiheit können wir ihm trotzdem geben? Die Unsicherheit und das Gefühl der Verantwortung sind immer da, doch genauso möchten wir ihm das Gefühl vermitteln, dass er selbstbewusst und unabhängig sein darf. Es ist oft eine echte Gratwanderung: Auf der einen Seite wissen wir, dass jeder Sturz und jede Schramme unter Umständen viel gravierender sein können als bei anderen Kindern. Auf der anderen Seite wollen wir vermeiden, dass unser Sohn das Gefühl bekommt, dass er ständig in Watte gepackt werden muss und gar nichts selbst ausprobieren darf.
Gerade beim Fahrradfahren ist dieser Balanceakt besonders deutlich: Einerseits haben wir ein großes Vertrauen in seine Prophylaxe und die Schutzkleidung, die ihn bei leichten Stürzen schützt. Andererseits wissen wir, dass auch wir lernen müssen, uns ab und zu zurückzulehnen, und ihm ein bisschen mehr zuzutrauen. Es sind diese kleinen Schritte in Richtung Freiheit und Selbstständigkeit, die für ihn – und für uns – enorm wertvoll sind. Sein stolzes Lächeln, wenn er allein fährt und neue Fähigkeiten entdeckt, zeigt uns, dass unser Mut, ihn auch mal loszulassen, sich lohnt. So wächst er in seiner eigenen Geschwindigkeit, aber mit dem Wissen, dass wir immer da sind, wenn es wirklich mal brenzlig wird.
Das Fazit – mit Prophylaxe und Vorbereitung wird Unmögliches möglich

Dank der modernen Prophylaxe, die einen konstanten Blutungsschutz bietet, viel Vorbereitung und dem richtigen Equipment können wir auch Abenteuer wie das Radfahren in unser Familienleben integrieren. Und das Wichtigste: Unser Sohn lernt, die Welt zu erkunden und eigene Grenzen auszutesten. Und das immer mit einem Lächeln und Mut, der uns Eltern jeden Tag stolz macht.
Hast Du Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail über das Kontaktformular. Wir melden uns schnellstmöglich zurück.
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