Kreuzbandriss bei Hämophilie A – auch ganz ohne Sport

Kreuzbandriss bei Hämophilie A – auch ganz ohne Sport

Ich bin Tanja, Mutter von 17-jährigen Zwillingen, von denen der Sohn Hämophilie A hat. Er hat sich das Kreuzband gerissen, und hier erzähle ich Euch, wie das passiert ist und wie es weiterging.

Ein Festivalbesuch mit Folgen

Unsere Zwillinge gingen an einem Samstag zusammen auf ein Musik-Festival. Im Laufe des Abends trennten sie sich und unser Sohn war ganz vorne mit dabei, direkt vor der Bühne. Wie es bei einem Festival so ist, war dort vorne ein sehr dichtes Gedränge, und es wurde gedrückt und geschoben. Zum Ablauf des Unfalls erzählte er mir Folgendes: Er ist hochgehüpft, doch in dem Moment ging die Menge etwas zur Seite und als er wieder aufkam, war sein Fuß eingeklemmt. Er stürzte zu Boden und verdrehte sich gleichzeitig das Bein. Sofort spürte er einen stechenden Schmerz im Knie. Seine Kumpels mussten ihm hoch helfen und ihn stützen, denn er konnte nicht mehr auftreten. Da er starke Schmerzen hatte, brachten sie ihn zu den anwesenden Sanitätern. Dort bekam er einen sehr festen Verband um das Knie. Anschließend fuhren er und seine Kumpels nach Hause und er wurde von ihnen in sein Zimmer gebracht, ohne dass wir es mitbekamen.

Am nächsten Morgen hat er mich gerufen und gefragt, ob ich in sein Zimmer kommen könnte. Er konnte allein nicht aufstehen. Ich hatte noch Gehhilfen zu Hause, die gab ich ihm. Nachmittags ging ich mit ihm in die Klinik, da er immer noch über starke Schmerzen klagte und das Knie angeschwollen war. Ich glaube, er hatte ein wenig Glück im Unglück, da er erst am Tag vorher sein Medikament gespritzt hatte.

Diagnose Kreuzbandriss

In der Klinik wurde eine Röntgenaufnahme gemacht, um sicherzustellen, dass nichts gebrochen war. Es war ein Sonntagnachmittag (wenn es unter der Woche gewesen wäre, wären wir gleich zum Unfallarzt) mit 30 Grad im Schatten und wir erwarteten Besuch zu Hause. Nach der Röntgenaufnahme haben wir noch ungefähr fünf Stunden in der Klinik gewartet, bis endlich der Arzt wiederkam. Ich habe ihn gefragt, warum das denn so lange gedauert hätte, und er antwortete, dass er sich zuerst informieren musste, ob ein Hämophilie-A-Patient Thrombosespritzen braucht. Ich denke er musste zuerst den Hämophilie Arzt vom Zentrum erwischen, das zu der Zeit noch im Aufbau war und es lag einfach an der Organisation. Denn tatsächlich bekommt nicht jeder Arzt im Laufe seiner Karriere überhaupt mal einen Hämophilie-Patienten zu Gesicht. Von daher hätte er uns das auch einfach fragen können. Aber gut, das ist ein anderes Thema.

Am folgenden Montag war mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub und ich wollte nicht gleich am ersten Tag anrufen, dass ich nochmal einen Tag frei brauche. Schließlich dachte ich, dass Man(n) mit fast 18 Jahren groß genug ist, um allein zu einem Unfallarzt zu gehen. Also organisierte ich die Oma als Fahrdienst und unser Sohn ging allein zum Arzt. Sein Auftrag war, mit dem Unfallarzt zu sprechen und danach mich bei der Arbeit anrufen, um zu erzählen, was die genaue Diagnose sei. Er rief mich an und erzählte mir, dass es ein Kreuzbandriss ist, der operiert werden muss und dass er punktiert wurde, weil so viel Blut im Kniegelenk war.

Operation und Krankengymnastik

Zusätzlich musste noch geklärt werden, wie das mit der Krankengymnastik abläuft und wie er zu viele Fehltage bei seiner Ausbildung verhindern kann. Doch der Ausbildungsbetrieb kam ihm sehr entgegen. Er bekam einen Sitzarbeitsplatz und konnte so zu viele Fehltage verhindern, denn er wird auch nach der OP für längere Zeit krankgeschrieben sein. In der Zeit bis zur OP ging er zu seiner Ausbildungsstätte, konnte nur im Sitzen arbeiten, aber bekam wenigstens die Theorie mit. Er konnte schon wieder ohne Gehhilfen und ohne seine Streckschiene gehen, da die Muskulatur um das Knie durch die Krankengymnastik gestärkt wurde. Die Streckschiene ist dazu da, dass man eine Schonhaltung einnimmt. Man kann sich ja auch gegen eine OP entscheiden und das ganz mit Muskelaufbau behandeln, aber dann muss man konsequent das ganze Leben dabeibleiben.

Der Unfallarzt hatte gesagt, dass man normalerweise ca. sechs Wochen nach einem Kreuzbandriss operiert. Da es aber in der Realität immer anders aussieht und es dauert, bis man einen OP-Termin bekommt, bekam er erst acht Wochen nach dem Kreuzbandriss einen OP-Termin. Er musste einen Tag vor der OP in der Klinik sein. Am nächsten Tag war die OP für den späten Nachmittag geplant. Wir beide waren fürchterlich aufgeregt. Die OP war an meinem Geburtstag, den ich an dem Tag völlig ausgeblendet habe. Was macht man nicht alles für seinen Junior. 😉

Die OP ist gut verlaufen und der operierende Arzt meinte: „Wie bei einem nicht-hämophilen Patienten.“ „Ein Hoch auf die guten Medikamente“ waren meine Gedanken. Der größte Unterschied zu einem Menschen ohne Hämophilie ist, dass man als Hämophiler ein paar Tage in der Klinik verbringen sollte, um mögliche Nachblutungen zu bemerken. Außerdem müssen mehr Medikamente gespritzt werden als in der normalen Prophylaxe. Nach weiteren sechs Monaten Krankengymnastik geht es ihm jetzt wieder ganz gut. Manchmal, wenn er z. B. etwas länger knien muss oder lange Strecken läuft (alles über 10 km), hat er immer noch leichte Schmerzen. Das ist aber laut den Ärzten normal. Vor kurzem hat er auch mit Kraftaufbau an Trainingsgeräten angefangen. Dann wird hoffentlich alles irgendwann wieder wie vor der Knie-OP sein.

Durch den Kreuzbandriss hat sich auch unser geplanter Wechsel des Hämophilie-Zentrums etwas verschoben, aber das schreibe ich Euch in einem neuen Blog-Beitrag.

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