Medikamenten-Umstellung bei Hämophilie A

Ich bin Tanja, Mutter von Jonas, der schwere Hämophilie A hat. In meinem neuen Beitrag erzähle ich Euch von seiner erfolgreichen Therapieumstellung.

Damals, fast direkt nach der Geburt unseres Sohnes im Jahr 2004, als wir die Diagnose Hämophilie erhalten hatten, wurden wir bereits nach ein paar Wochen wieder in die Kinderklinik einbestellt. An diesem Termin wurden uns zwei Faktor-Präparate vorgestellt, die uns fast identisch vorkamen. Wir haben uns dann einfach aus dem Bauch heraus für eines der beiden Medikamente entschieden. Ehrlich gesagt, war es mir auch fast egal, denn wir kannten uns zu diesem Zeitpunkt mit dem Thema sehr wenig aus. Zudem mussten beide Präparate intravenös und im 2-Tage-Zyklus verabreicht werden. Aber der Arzt erzählte uns damals schon, dass da noch etwas Neues kommt, das nicht ganz so oft verabreicht werden muss. Er war der Meinung, dass wir schon in den nächsten Jahren davon profitieren könnten. Das gab uns Hoffnung für die Zukunft!

Die Zeit mit dem Faktor-Präparat

So hatten wir nach einiger Zeit also das Faktor-Präparat zu Hause. Es war in einer Packung in einer Tüte verpackt, die wir in unserem Kühlschrank in der Küche lagerten. Diese Packung wurde immer zu größeren Ausflügen in einer Kühltasche mitgenommen. Etwa im zehnten Lebensmonat kam dann die erste Blutung, sprich auch die erste Faktorgabe. Danach häuften sich die Blutungen und wir rutschten in die Prophylaxe, also mussten wir ab diesem Zeitpunkt jeden zweiten Tag spritzen. So plätscherte das sehr lange vor sich hin. Die Menge wurde immer wieder erhöht und es ging über 18 Jahre lang gut. Doch dann wurde der Talspiegel relativ schnell immer niedriger, somit wussten wir, es muss was geschehen. Wir überlegten gemeinsam mit dem Kinder-Hämophilie-Zentrum, auf welches Präparat wir umstellen könnten. Ich wusste über die IGH (Interessengemeinschaft Hämophiler e. V.), was da noch so alles im Anmarsch war. Die Entscheidung war eigentlich getroffen, aber dann kam kurz vor der geplanten Umstellung der Kreuzbandriss.

Der Weg zum Therapiewechsel

Eine OP bewusst nach der Umstellung auf ein neues Medikament durchzuführen, war ein zu hohes Risiko. Also entschieden wir, lieber noch etwas zu warten, bis die OP vorüber und der Kreuzbandriss ausgeheilt war. Ich machte mir dann keine Gedanken mehr darüber, da wir mit Kreuzbandriss, Corona (man musste froh sein, dass man überhaupt in die Klinik hineindurfte) und Transition beschäftigt waren. Nach der Ausheilung des Kreuzbands haben wir dann als Erstes die Transition in ein Erwachsenen-Hämophilie-Zentrum vollzogen. Bereits nach den ersten Terminen im neuen Hämophilie-Zentrum kam wieder ein ganz schlechter Talspiegel zum Vorschein. Wir überlegten, welches Medikament jetzt das Beste für Jonas wäre. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, die für ihn relevant waren, stand fest: Es wird umgestellt.

Die Umstellung

Am Tag der Umstellung ging ich gemeinsam mit Jonas ins Hämophilie-Zentrum. Es war für mich ein emotionaler Tag, was mich selbst überraschte. Das neue Medikament wurde verabreicht, jetzt hieß es warten auf die ersten Ergebnisse des Talspiegels. Unsere Vorstellung war, dass man nicht jeden zweiten Tag substituieren muss, sondern weniger. Aber mein Gefühl sagte mir nichts Gutes und warum auch immer, sollte ich recht behalten. Der Talspiegel war nach zwei Tagen nur minimal höher als beim vorherigen Medikament! 

Ok, wenig gewonnen, nichts verloren. Es blieb spannend und wir warteten auf ein neues Medikament, das kurz vor der Zulassung stand. Aber würde es das halten, was es versprach – auch bei Jonas?

Was bringt die neue Hämophilie-Therapie?

Der Tag der erneuten Medikamenten-Umstellung stand an. Ich war als Mutter sowas von aufgeregt, ich kann gar nicht sagen warum, aber es war so. Als das neue Präparat verabreicht war, sagten uns die Hämophilie-Ärzte, Jonas soll in einer Woche zur Blutabnahme kommen, um den Talspiegel zu bestimmen. Ich dachte für mich, oje, ob sie da noch was zu messen haben? Diese Woche war für mich eine sehr harte Woche. In der Nacht wurde ich wach, weil ich träumte, wir haben das Spritzen vergessen. Es war irgendwie komisch, denn wir haben fast 20 Jahre jeden zweiten Tag gespritzt und jetzt plötzlich nur noch einmal pro Woche. Diese Zeit, etwas über eine Woche, war für mich sehr zäh. Jeden Tag fragte ich Jonas: „Spürst Du was, eine Einblutung, eine Veränderung?“ Aber er verneinte stets.

Dann kam der Tag, der alles veränderte: Das Ergebnis der Blutabnahme war da. Der Talspiegel war nach einer Woche sehr viel höher als beim „alten“ Medikament. Der nächste Termin zur Blutabnahme war ca. vier Wochen später, ich fieberte auf diesen Termin hin. Nicht mehr so sehr wie beim ersten Termin, aber dennoch beschäftigte es mich sehr. Und siehe da, der Talspiegel war noch etwas höher als vier Wochen zuvor. Freudentränen stiegen mir in die Augen, denn erst jetzt wurde mir richtig bewusst, was wir als Familie und ganz besonders Jonas in der Zeit alles aushalten mussten und was dies doch mit einem macht. 

Deshalb kann ich nur allen Hämophilen raten: Informiert Euch, was es an neuen Therapiemöglichkeiten gibt. Oder welche Optionen für Euren Tagesablauf am besten passen. Vielleicht macht Ihr auch einfach mal einen Online-Therapiecheck – als Entscheidungshilfe, welche Hämophilie-Behandlung am besten zu Euch passt.

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