Transition – mein Sohn wechselt das Hämophilie-Zentrum

Transition – mein Sohn wechselt das Hämophilie-Zentrum

Ich bin Tanja, und mein Sohn hat Hämophilie A. Bald wird er volljährig, und es wird Zeit für die Transition. Hier berichte ich Euch von unseren Erfahrungen.

Unser mittlerweile gar nicht mehr so kleiner Sohn wird bald 18 und der „Kinder-Hämophilie-Arzt“ hat uns darauf angesprochen, dass uns nun ein Wechsel zu einer Ärztin oder einem Arzt für erwachsene Hämophilie-Patienten bevorsteht. So weit, so gut.

Info

Transition = Übergang/Wechsel vom pädiatrischen Behandlungsteam hin zu den hämatologischen Fachärztinnen und -ärzten für erwachsene Hämophilie-Patienten. Mehr dazu erfährst Du hier.

Hämophilie-Zentrum oder Hausarztpraxis?

Wir haben uns als Familie dazu unsere Gedanken gemacht und uns gefragt, in welches Hämophilie-Zentrum wir, oder besser gesagt unser Sohn, denn in Zukunft hingehen will. Seit neuestem gibt es wohnortnah wieder ein Zentrum. Uns ist es sehr wichtig, dass unser Sohn in einem Zentrum behandelt wird, da wir der Meinung sind, dass sich die Fachärzte in einem spezialisierten Zentrum einfach viel besser mit der Hämophilie auskennen. Uns wurde auch einmal gesagt, dass eigentlich jeder Patient in einem Hämophiliezentrum behandelt werden sollte.

Eine weitere Möglichkeit wäre, in dem Zentrum zu bleiben, in dem wir jetzt gerade sind und nur von der pädiatrischen Station zu den Erwachsenen zu wechseln. Leider ist das Hämophilie-Zentrum aber 250 km von unserem Wohnort entfernt.

Inzwischen hat sich auch die Lebenssituation unseres Sohnes geändert: Er hat eine Ausbildung begonnen und müsste sich nun jedes Mal einen Tag Urlaub nehmen, wenn er ins Zentrum muss – egal ob wohnortnah oder weiter weg.

Erster Besuch im neuen Hämophilie-Zentrum

Wir schauten uns als erstes das neue Hämophilie-Zentrum in der Nähe unseres Wohnortes an. Dort war alles gerade noch im Aufbau, was uns erstmal aber nicht weiter störte. Wir hatten uns einige Fragen notiert, die wir beim ersten Besuch in diesem Zentrum stellen wollten:

Als wir dann das erste Mal dort waren, hatten wir den letzten Arztbrief dabei. Wir wurden darauf hingewiesen, dass die bisherige Hämophilie-Therapie unseres Sohnes nicht mehr zeitgemäß sei. Das wissen wir zwar, aber es hat seinen Grund, dass wir das bisher nicht geändert haben.

Eine Transitionsentscheidung steht an

Als wir wieder zu Hause waren, diskutierten wir viel darüber und schoben den Wechsel vor uns her. Am liebsten wäre es unserem Sohn, wenn er weiterhin bei seinem jetzigen Behandlungsteam bleiben könnte, mit dem er sich sehr gut versteht. Nach weiteren zwei bis drei Wochen schauten wir uns auch im „alten“ Zentrum die Abteilung für erwachsene Hämophilie an.

Auf der Fahrt dorthin fragte mich mein Sohn: „Wie lange kommst Du eigentlich noch mit zu den Terminen?“ Er möchte nicht allein die 500 km an einem Tag fahren, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Meine Gegenfrage lautete: „Wie lange möchtest Du denn, dass ich noch mitkomme?“ Darauf antwortete mein Sohn: „Das war schon immer unser Tag – wenn wir gemeinsam ins Zentrum fahren – und das möchte ich nicht missen.“ Das war für mich natürlich schön zu hören, und wir diskutierten noch einige Zeit über dieses Thema. Wir kamen letztendlich zu der Entscheidung, dass ich mit ins neue Hämophilie-Zentrum komme, bis wir Vertrauen zum neuen Team haben und alles „läuft“. Danach sollte ich ihn nur noch bei wichtigen Entscheidungen begleiten.

Die erste Zeit im neuen Hämophilie-Zentrum

Doch dann zog sich unser Sohn einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu. Dadurch verzögerte sich unser Wechsel noch weiter, da die OP erstmal wichtiger war und die ganze Nachbehandlung sich über einige Wochen hinzog.

Dann aber war es endlich so weit: Unser Sohn ging als „Erwachsener“ in das neue Hämophilie-Zentrum. Dort ist vieles anders organisiert, als wir es bisher gewohnt waren. Aber das ist völlig normal und auch die Beziehung zum neuen Behandlungsteam muss sich erstmal einspielen.

Im neuen Zentrum stand auch gleich die erste größere OP an, denn bei unserem Sohn mussten die Weisheitszähne entfernt werden. Die OP wurde vom neuen Behandlungsteam in der Klinik, Abteilung Kieferchirurgie, durchgesprochen und vorbereitet. Allerdings wurde die OP kurz vor dem Termin aufgrund eines internen Kommunikationsproblems auf später verschoben. Das fanden wir natürlich nicht so gut und ärgerten uns ein wenig darüber.

Dann sprach ich das Thema Konduktorin an, da unsere Tochter ab und zu ein Medikament benötigt. Das war im neuen Hämophilie-Zentrum aber auch kein Problem.

Beim bisher letzten Termin, den wir im neuen Zentrum hatten, war auch eine Orthopädiesprechstunde angesetzt. Ich ging davon aus, dass dies ähnlich wie bei den Kindern ablaufen wird und alle Gelenke angeschaut werden. Aber es wurde nur das rechte Knie, in dem er den Kreuzbandriss hatte, durchgecheckt. Auf Nachfrage bekam ich die Antwort, dass bei den Erwachsenen nur noch auf die Problemgelenke geschaut würde. Zusätzlich wurde unserem Sohn noch Blut abgenommen, um einige Werte zu kontrollieren.

Meine Gedanken als Mutter: Volljährig ist nicht gleich erwachsen

Ich würde gerne noch meine Gedanken zum Thema „18 Jahre alt werden“ mit Euch teilen. Man ist zwar auf dem Papier volljährig und kann in diesem Alter auch vieles allein regeln. Aber kann man wirklich sofort in allen Bereichen allein entscheiden?

Ich sehe es so: Man fängt als Eltern irgendwann an, die Verantwortung in verschiedenen Lebensbereichen nach und nach an seine jugendlichen und schließlich 18-jährigen Kinder zu übertragen. Dazu gehört bei unserem Sohn natürlich auch das Thema „Hämophilie“. Sich selbst spritzen kann er schon lange, aber wir fragen trotzdem immer mal wieder nach, ob er es auch gemacht hat. Er weiß zwar theoretisch auch, wie die Dokumentation, das Medikament bestellen, einen Termin mit der Apotheke vereinbaren usw. funktioniert, aber das Administrative übernehme (noch) weiterhin ich.

Als 18-jähriger hat man nun mal andere Sachen im Kopf, als sich mit Hämophilie zu beschäftigen. Aber ich weiß auch von meiner Tätigkeit bei der IGH, dass die meisten Gelenkschäden im Alter zwischen 18 und 25 Jahren entstehen. Die Jungs sollten eigentlich selbst auf sich achten, aber oft geht dann doch – meist aus jugendlichem Leichtsinn – etwas schief. Ich kann ihm seine Therapie mit allem Drum und Dran auch nicht komplett abnehmen, aber mit ihm im Gespräch bleiben und viel nachfragen. Ich denke, so sind wir gemeinsam auf einem sehr guten Weg.

Und letztendlich ist die Transition immer ein Prozess, der nicht von heute auf morgen passiert – er muss von uns Eltern begleitet werden und sich ganz individuell entwickeln, je nachdem wie weit der junge Erwachsene ist.

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