Sport und Alltag mit Hämophilie A

Alltag mit Hämophilie A

Der Alltag eines jeden Menschen ist ja immer mit unvorhersehbaren Dingen und Überraschungen übersät. Und nicht jeder Tag ist wie der andere. Gerade für mich als Bluter ist jeder Tag ein besonderer Tag.

Denn nie weiß ich, wie es mir geht, was mich in Bezug auf Blutungen erwartet und wie meine physische Verfassung generell sein wird. Aber ich bin ja Optimist und lasse mich durch nichts beirren und unterkriegen.

Wenn meine Frau zum Beispiel Frühdienst hat, bin ich selbstverständlich für die drei Kinder da. Ich stehe auch dann auf, wenn es mir gelenktechnisch arg schwerfällt. Ich brauche morgens etwas mehr „Anlauf“, denn meine Sprunggelenke sind ja mittlerweile nicht mehr die besten und müssen daher langsam in Bewegung kommen. Meine Frau bereitet für die Kinder immer alles vor in Sachen Frühstück und Versorgung für den Schulalltag, damit ich das nicht machen muss. Wenn die Kinder dann in der Schule sind, steht für mich an oberster Stelle, meinen Faktor zu spritzen (je nach Wochentag) und meine anderen Medikamente einzunehmen. Sollte nichts an Terminen oder Ähnlichem an diesem Tag anstehen, dann lege ich mich meistens noch einmal hin und ruhe mich aus. Manchmal bin ich dermaßen fit, dass ich Bäume ausreißen könnte. Aber das ist eher selten der Fall.

Alltagsgeschäft mit Einschränkungen

Und somit bleibt der überwiegende Teil des „Alltagsgeschäfts“ wohl oder übel an meiner Frau hängen, die damit aber auch umgehen kann und dies auch akzeptiert. Denn einzukaufen sowie Wasserkisten und andere schwere Dinge zu schleppen, das ist für meine Ellenbogengelenke absolut nichts mehr. Da müssen dann und wann schon mal die Kinder mit ran – auch, wenn denen das so gar nicht gefällt.

Die Dinge, die ich für uns als Familie im Rahmen meiner krankheitsbedingten Einschränkungen erledigen kann, die mache ich auch. Leider ist es, tagesformabhängig, nicht mehr viel. Zur Erleichterung für meine Frau habe ich vor einiger Zeit einen Trinkwassersprudler gekauft. Damit hat das ständige Schleppen von Wasserkisten zumindest schon mal ein Ende. Tagsüber muss ich häufig zwischen Sitzen und Laufen abwechseln, also einfach in Bewegung sein, was meinen Lieben zu Hause manchmal so richtig auf die Nerven geht – um es richtig auszudrücken. Ansonsten genieße ich die Zeit, die ich für mich habe, indem ich mich den neuesten Nachrichten vom Sport widme und viel Musik höre.

Wenn niemand aus der Familie zu Hause ist, höre ich MEINE Musik. Die, die mich runterbringt und besänftigt, wenn es mir nicht gut geht und wo ich auf jeden Fall entspannen kann, wenn ich sie höre. Nein, es sind keine Opern, kein Schlager, keine Sinfonien. Es ist Heavy Metal. Metallica steht ganz oben auf meiner Lieblingsplaylist, gefolgt von vielen anderen Bands der Branche: Slayer, Anthrax, Seether und wie sie alle heißen. Dabei kann ich entspannen und vergesse oft die Welt und meine Schmerzen. Viel Zeit bleibt mir zum Musikhören aber nicht immer, denn es gibt noch sehr viel mehr zu tun.

Kinder, Kinder …

Schließlich haben wir ja auch noch drei Kinder, die bespaßt werden wollen… Für mich bedeutet das, mit unserem jüngsten Sohn dreimal pro Woche zum Fußballtraining zu fahren. Dazu kommt am Wochenende mindestens ein Spiel oder aber Turnier – je nach Saison. Da bin ich aufgrund der Vollzeitstelle meiner Frau, die im Einzelhandel arbeitet, zum größten Teil immer mit dabei. Sollte es mal gar nicht gehen, nimmt Junior den Bus. Auch bei Fahrten zu großen Turnieren, die ein ganzes Wochenende lang dauern, bin ich mit am Start. Das traue ich mir alles noch zu: Faktor ins Gepäck, dazu alle anderen Medikamente und losgeht das Vater-Sohn-Wochenende.

Aber auch die anderen beiden Kinder brauchen mich und uns als Eltern. Und da muss man sich auch etwas Adäquates einfallen lassen, um ein Gleichgewicht herzustellen. Alles nicht so leicht! Das ist Alltag, das ist die Realität.

Allerdings finde ich bei unserem immensen Familienprogramm trotzdem die Zeit, um mich auch mit meinem besten Freund zu treffen. Dieser wohnt zwar in Hannover, aber wir treffen uns des Öfteren in Magdeburg und verbringen da ein paar Stunden. Sinnieren und reden über Fußball, Politik und das, was in der Welt vor sich geht. Auch das gehört für mich zum Entspannen dazu: mal NICHT an Hämophilie und Schmerzen denken zu müssen. Aber das geht auch nur, weil meine Frau Verständnis dafür hat, dass ich auch mal aus dem Alltag für ein paar Stunden ausbrechen muss. Sie ermutigt mich auch dazu, ja ermahnt mich fast, DAS zu machen, was MIR gut tut.

Der Alltag, gerade der eines Bluters (Hämophilie Betroffener) , ist so facettenreich, dass man gar nicht alles in einem Blog-Beitrag festhalten kann. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, ganz normal mit Alltagssituationen umzugehen und diese zusammen mit meiner Frau zu meistern. Und das gelingt uns auch richtig gut. Die Bewältigung von Schmerzen, das Klarkommen mit Einblutungen jeglicher Form, all das ist für mich Alltag und ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, damit zurechtzukommen. Tag für Tag arrangiere ich mich mit den Situationen, die es zu bewältigen gilt und die für mich manchmal etwas schwieriger sind als für einen gesunden Menschen. Aber ich schaffe es immer wieder, mein Leben zu genießen – trotz der schweren Hämophilie.


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