Als Jugendlicher auf Klassenfahrt mit Hämophilie A

Als Jugendlicher auf Klassenfahrt mit Hämophilie A

Ich bin Sven und habe mittelschwere Hämophilie A. In diesem Beitrag erzähle ich Euch von meinen Erfahrungen und Herausforderungen mit der Erkrankung auf Klassenfahrt.

Ich bin Sven und habe mittelschwere Hämophilie A. In diesem Beitrag erzähle ich Euch von meinen Erfahrungen und Herausforderungen mit der Erkrankung auf Klassenfahrt.

Ich bin 1977 geboren und war somit in den späten 80er und Anfang der 90er-Jahre als Jugendlicher auf den typischen Klassenfahrten unterwegs. Alles war zu der Zeit noch anders, insbesondere die Aufklärung über die Erkrankung war schlecht. Man konnte damals nicht mal eben ins Handy schauen und etwas nachlesen, sondern das Wissen über die Hämophilie kam maximal aus dem Biologie-Unterricht.

Da wurde die Hämophilie mal am Rande erwähnt und klischeehaft als „Erkrankung der Könige“ bezeichnet. Dass das nur auf Hämophilie B zutrifft, die in den europäischen Königshäusern auftrat, und nicht auf Hämophilie A, wovon ich betroffen bin, wurde dabei nicht gelehrt. Man hätte also mit mir sogar ein „lebendes Exemplar“ für eine genauere Erläuterung der Erkrankung, ihrer Ursachen und ihrer Auswirkungen gehabt. Stattdessen wurden mir nur so Fragen gestellt wie „Wenn Du Dich in den Finger schneidest, verblutest Du dann?“ oder ähnliche Sachen. Allerdings bedeutete das natürlich auch, dass viele Menschen – auch meine Mitschüler, denn Jungs raufen ja mal gerne – im Alltag mit mir vorsichtiger umgegangen sind.

Wie sind die Lehrkräfte mit der Erkrankung umgegangen?

Da die Lehrerinnen und Lehrer immer unsicher waren, führte dies dazu, dass stets meine Mutter oder mein Vater bei Klassenfahrten – offiziell als Begleitpersonen – mitgefahren sind. Übrigens gab es auch Fahrten, wo ich seitens der Schule gar nicht hätte allein mitfahren können, da die Lehrerinnen und Lehrer einfach überfordert mit der Situation waren. Da kamen dann Fragen bzw. Aussagen an meine Eltern wie „Was ist, wenn etwas passiert? Die Verantwortung können wir nicht übernehmen.“ Ehrlich gesagt wird man jetzt natürlich denken (gerade, wenn das hier jugendliche Betroffene lesen), dass es irgendwie ziemlich uncool ist, wenn die Eltern mitfahren. Aber ich muss sagen, dass sich das für mich nie so angefühlt hat.

Mein Tipp für Eltern

Und das hatte eigentlich zwei Gründe. Der eine Grund war, dass ich mich selbst einfach sicherer gefühlt habe und somit auch viel lockerer war, insbesondere bei den ersten größeren Fahrten, die ja schon in der 5. Klasse anfangen. Ich wusste einfach, dass zur Not jemand da ist, wenn ich Hilfe brauche.

Der andere Grund – und das kann ich nur allen Eltern von an Hämophilie erkrankten Kindern als kleinen Tipp mitgeben – war: Meine Eltern haben sich immer im Hintergrund gehalten. Dass sie auf mich zugekommen sind oder irgendwas mit mir besprochen haben etc. kam einfach nie vor. Das heißt, nicht nur ich, sondern auch meine Klassenkameraden und -kameradinnen haben zwar gewusst, dass ein Elternteil von mir dabei war, aber sie haben es nicht weiter bemerkt.

Anekdoten meiner Klassenfahrten

Zwei lustige Anekdoten von Klassenfahrten kann ich Euch auch noch erzählen. Das eine mal ging es für mich beim Schüleraustausch nach Dänemark. Wir wohnten dort in Gastfamilien. Meine Eltern konnten natürlich nicht mit bei der Gastfamilie übernachten, also haben sie einfach zeitgleich in der Gegend Urlaub gemacht, um zur Not zur Stelle sein zu können. Witzigerweise sind sie uns dann bei einem Stadtbesuch entgegengekommen. Damit ich nicht in die eventuell für einen Teenie peinliche Situation komme „Hallo“ sagen zu müssen, sind sie dann schnell in die nächste Straße abgebogen und haben so getan, als wäre nix gewesen.

Bei einer anderen Fahrt war mein Vater war als Begleitperson dabei. Da habe ich mich tatsächlich am letzten Abend etwas verletzt. Es war also sehr gut, dass mein Vater dabei war. Besonders, da bei den Lehrerinnen und Lehrern doch etwas Panik aufkam. Wie gesagt, Handys gab es damals noch nicht, also wusste meine Mutter bis zu unserer Rückkehr auch nichts davon. Als meine Mutter uns dann am Bus nach der Klassenfahrt abgeholt hat, stieg vor uns ein Lehrer aus dem Bus aus. Auf die Frage meiner Mutter, ob es eine schöne Fahrt gewesen sei, kam die Antwort: „War alles gut, bis auf Ihren Sohn mal wieder!“. Ziemlich unprofessionell, wenn ihr mich fragt, aber auf solche blöden Kommentare muss man sich als Eltern leider auch mal gefasst machen. 

Ansonsten hatte ich meist immer Glück auf Klassenfahrten und hatte nie größere Probleme mit Blutungen, Verletzungen oder meinen Gelenken – sehr zur Freude meiner Lehrerinnen und Lehrer, die vermutlich manchmal nervöser waren als ich, dass mir etwas passieren könnte.

Früher war nicht alles besser

Besonders ältere Menschen sagen ja gerne, dass früher alles besser war. Das kann ich bei der Hämophilie und ihrer Therapie so nicht unterschreiben. Ein gutes Beispiel ist da die Mitnahme von Medikamenten auf die Klassenfahrten.

Denn damals waren die Packungen für das Medikament noch viel größer als heute, und die Kühlkette musste – so gut es eben ging – eingehalten werden. Das alles ist natürlich nicht gerade einfach, wenn man beispielsweise mit dem Bus auf eine Abschlussfahrt 500 Kilometer von der Heimat entfernt fährt. Heutzutage – und da kann man den Eltern etwas die Angst nehmen – sind die Packungen viel kleiner, und die meisten Medikamente können auch bei Raumtemperatur transportiert werden. Zudem ist die Anwendung bei vielen Medikamenten einfacher als früher geworden. Das heißt, es hat sich viel zum Positiven entwickelt, und Klassenfahrten können deshalb mittlerweile von allen Seiten entspannter angegangen werden – Betroffene, Eltern und Aufsichtspersonen wird das freuen.

Ich wünsche Euch auf jeden Fall eine tolle Zeit bei Euren Klassenfahrten!

Euer Sven

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