Familie

Konduktorin mit erneutem Kinderwunsch – meine persönlichen Erfahrungen Teil 2

Ich bin Simone und bereits Mutter von einem hämophilen Sohn. Mein Mann und ich wollten schon immer mindestens zwei Kinder. Da ich erst nach der Geburt meines ersten Sohnes erfahren habe, dass ich Konduktorin für schwere Hämophilie bin, war die Entscheidung für ein zweites Kind nicht so einfach. Welche Gedanken wir vor und während meiner zweiten Schwangerschaft hatten, erzähle ich Euch in diesem Beitrag.

Hier findet ihr Teil 1 des Beitrages zum Thema Kinderwunsch als Konduktorin.

Vorgespräche für die Geburt

Bei der nächsten Kontrolle bei meinem Frauenarzt in der 36. Schwangerschaftswoche lag der Kleine immer noch mit dem Kopf nach oben. Daher bekam ich die Überweisung ins Krankenhaus, um zum einen zu besprechen, was man bei der Geburt beachten muss, und zum anderen, um über einen geplanten Kaiserschnitt zu sprechen. Aus Beckenendlage sollte man ein potenziell hämophiles Kind nicht entbinden. Für mich brach in dem Moment eine Welt zusammen. Wir haben bereits so viele Hürden in der Schwangerschaft genommen, nur um jetzt doch wieder über einen Kaiserschnitt zu sprechen. Allein die Vorstellung versetzte mich schon in Panik.

Voller Angst saß ich also beim Geburtsplanungsgespräch. Der Oberarzt war zum Glück richtig gelassen. Er schrieb gleich auf, dass wir eventuell ein hämophiles Kind bekommen und dass die Kinderärztinnen und -ärzte bei der Geburt gleich informiert werden sollten. Wir erklärten, dass der Einsatz einer Saugglocke möglichst verhindert werden sollte und teilten mit, dass wir für den Notfall Bedarfsmedikamente dabeihaben. Zum Glück gab der Oberarzt sein Einverständnis für eine Geburt in unserem Krankenhaus. Somit stand nur noch der geplante Kaiserschnitt im Raum.

Auch bei dem Thema reagierte er ganz gelassen. Es sei meine Entscheidung. Er könne mich zu nichts zwingen, mir müssten nur die Risiken bewusst sein. Bevor wir uns damit aber näher befassen, möchte er erst mal nach der aktuellen Lage des Kindes schauen. Und tatsächlich: Er hatte sich gedreht. Am Morgen lag er noch mit dem Kopf oben und vier Stunden später war der Kopf unten. Ich hatte nichts von der Drehung gemerkt und konnte es gar nicht glauben. Eine große Last viel von mir ab, und ich war einfach nur glücklich. Trotz der schweren Reise, die wir schon hinter uns haben, schien meiner Wunschgeburt nun nichts mehr im Weg zu stehen. Die einzige Angst, die ich jetzt noch hatte, war, dass die Ärztinnen und Ärzte mich unter der Geburt aufgrund ihrer eigenen Befürchtungen zu einem Kaiserschnitt drängen bzw. schneller die Reißleine ziehen würden.

Warten auf unser zweites Kind

Auch unser zweiter Sohn wollte nicht vor dem errechneten Termin (ET) auf die Welt kommen. In der 41. Woche bekam ich dann die Überweisung für das Geburtseinleitungsgespräch. Eine Einleitung wollte ich unbedingt verhindern, da diese zu weiteren Interventionen führen könnte, die dann wiederum auf eine Saugglockengeburt bzw. in unserem Fall auf einen Notkaiserschnitt hinauslaufen könnten. Somit schöpften wir alle Möglichkeiten zur natürlichen Einleitung aus.

Bei ET + 5 Tage hatte ich nachmittags leichte Wehen. Diese waren aber nur durch einen harten Bauch bemerkbar, und ich dachte mir nichts weiter dabei, da ich schon seit Wochen immer wieder solche Wehen hatte. Am Abend informierten wir sicherheitshalber trotzdem die Doula und meine Schwiegermutter, falls es doch in der Nacht losgehen sollte. Und tatsächlich konnte ich ab 1 Uhr nachts nicht mehr schlafen und weckte meinen Mann. Dieser packte alles zu Ende und gab der Doula und seiner Mutter das Go.

Um viertel nach drei trafen wir uns mit unserer Doula im Krankenhaus und kurz vor fünf schwamm unser Sohn ganz unkompliziert auf die Welt. So viel dazu, dass ich alle Zeit der Welt hätte, um ins Hämophilie-Zentrum zu fahren …

Meine Doula hatte die Aufgabe, mich bei der Geburt zu unterstützen, da mein Mann nicht wusste, ob er dabei sein kann. Sie hatte eine ganze Tasche mit „Helferchen“ wie zum Beispiel Massagebällen, Ölen und Snacks dabei. Auch sollte sie mir beim Wechsel in verschiedene Geburtspositionen helfen. Dadurch wollte ich vermeiden, dass ich wieder eine PDA benötige und somit eventuell eine Saugglocke benutzt werden muss, bzw. ein Kaiserschnitt gemacht werden musste. Sollte es nach der Geburt kritisch werden, war uns wichtig, dass sie bei mir bleibt und mein Mann dann mit dem Kleinen mitgehen kann. Zusätzlich sollte sie mit darauf achten, dass das Nabelschnurblut entnommen wird.
Schlussendlich brauchte ich allerdings nur ihre Hand, die ich kräftig zerdrücken durften, sowie meinen Geburtskamm. Als Erinnerung machte sie auch während der Geburt Bilder und Videos, über die ich mich sehr gefreut habe. Auch schrieb sie aus ihrer Sicht einen Geburtsbericht.

Warten auf die Testergebnisse

Die Geburt war – bis auf die Schnelligkeit – meine Traumgeburt. Noch während unser Sohn auf meiner Brust lag, wurde aus der Nabelschnur Blut entnommen, um auf Hämophilie zu testen. Die Blutproben wurden in einem Institut in einer anderen Stadt getestet, da unser Krankenhaus dies nicht konnte. Daher mussten wir einige Tage auf die Ergebnisse warten. Auch wurde am gleichen Tag noch ein Kopfultraschall gemacht, um eine Hirnblutung auszuschließen. Er hatte im Auge eine kleine Einblutung und ein paar Petechien (kleine punktförmige Hautblutungen) auf dem Kopf. Diese können bei jedem Kind nach einer Geburt auftreten, wurden aber trotzdem engmaschig kontrolliert.

Bei der U2 hieß es dann, dass die Gerinnungszeit unauffällig sei und man nur noch auf den Faktorwert warte. Allerdings war sich keiner mehr sicher, ob wirklich das richtige Gefäß der Nabelschnur punktiert wurde. Daher entschieden wir uns, dass doch aus seinem Handrücken Blut entnommen werden sollte. Wir wollten auf Nummer sicher gehen. Ein falsch positiver Wert hilft uns nicht weiter. Mein Mann drückte gut auf die „Wunde“, und es entwickelte sich kein Hämatom.

Am Tag der Entlassung lag die Gerinnungszeit vor, welche wieder unauffällig war, allerdings dauerte der Faktor-VIII-Wert noch etwas. Der Wert vom Nabelschnurblut war aber sehr hoch. Eine gute Woche nach Geburt kam dann endlich der ersehnte Anruf. Unser Sohn hat keine Hämophilie! Somit startet für uns jetzt das Abenteuer mit einem gesunden und einem betroffenen Kind.

Wir sind sehr gespannt, ob wir unserem Großem wirklich die Freiheiten lassen, „normal“ zu sein. Das werden wir jetzt im direkten Vergleich merken. Natürlich sind wir sehr erleichtert, dass unser zweiter Sohn gesund ist. Wir sind uns aber auch bewusst, dass jetzt ganz neue und andere Herausforderungen auf uns warten werden.

Meine Ratschläge für Euch

Allen Konduktorinnen möchte ich noch folgende Tipps mit auf den Weg geben:

Hast Du Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail über das Kontaktformular. Wir melden uns schnellstmöglich zurück.

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