Frauen können zwar die genetische Veranlagung für Hämophilie tragen, da diese aber X-chromosomal vererbt wird, haben sie ein intaktes und ein defektes X-Chromosom. Bluter haben hingegen ein defektes X-Chromosom und ein intaktes Y-Chromosom. Das heißt, die Männer haben nur das defekte X-Chromosom, auf dem das Gen für den Faktor VIII lokalisiert ist. Frauen mit einem Gendefekt für Hämophilie nennt man Konduktorinnen, was so viel heißt wie Überträgerin oder Anlageträgerin. Anlageträgerin ist dabei eine gute „Übersetzung“, denn dieser Begriff zeigt auf, dass die Frau die Anlage trägt: Sie können eine Gen-Mutation, die zu einer Hämophilie A führt, weitergeben. Dieses allerdings nicht immer, sondern mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, da die Frau ja an einen Sohn auch ein intaktes X-Chromosom weitergeben könnte. So viel zur Genetik bzw. zum Erbgang bei Hämophilie zur Erinnerung an alle Leser – mehr Informationen findet Ihr aber auch in diesem Beitrag.
Meine Mutter wusste von nichts
Wie der Titel des Beitrags ja schon verrät, geht es heute mal um meine Mutter. Denn sie ist Konduktorin und in unserer Familie die Überträgerin der Hämophilie A. Sie selbst hat den Gendefekt von meinem Opa geerbt, dieser hat aber erst sehr spät von seiner Erkrankung erfahren.
Meine Mutter hatte als Kind und Jugendliche eigentlich keine Probleme, bzw. wenn sie welche hatte, dann waren sie nicht besonders ausgeprägt oder „es war halt so“. Sie wusste ja nicht, dass sie betroffen ist und auch nicht, dass sie selbst eine reduzierte Blutgerinnung hat.
Auch als meine Mutter meinen Vater kennenlernte und dann heiratete, war die Hämophilie A kein Thema. Das heißt, einerseits gab es das Thema Hämophilie als vielleicht schwieriges Thema zu Beginn einer Partnerschaft nicht, was leider ansonsten oft auch sehr belastend sein kann und womit auch nicht jeder Mensch klarkommt. Andererseits kam die Diagnose dann aus heiterem Himmel.
Eine belastende Situation
Meine Mutter war dann gerade mit mir schwanger, als meine Eltern erfuhren, dass meine Mutter Konduktorin ist. Meinem Opa wurden die Weisheitszähne gezogen und es hörte nicht auf zu bluten. Erst dann wurde bei ihm die Hämophilie A diagnostiziert und danach war klar, dass meine Mutter Überträgern ist, da sie das defekte X-Chromosom ja von ihrem Vater geerbt haben musste. Sicherlich war das zunächst ein Schock, denn es gab zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Möglichkeit, sich so einfach zu informieren wie heute. Man konnte nicht eben mal im Internet nachlesen, was das bedeutet, sondern musste erstmal jemanden finden, der sich damit auskannte. Gar nicht so einfach … Und es war für meine Eltern auch eine Odyssee, bis sie letzten Endes zu einem Hämophilie-Zentrum kamen. Wenn man ehrlich ist, wusste nicht mal jeder, dass es überhaupt Hämophile-Zentren gibt, da man auch das ja nicht mal eben rausfinden konnte. Des Weiteren waren damals Hausärztinnen und -ärzte etc. deutlich weniger über die Erkrankung informiert als heute.
Zusammenhalt war extrem wichtig
Eine eher herausfordernde und schwierige Zeit für meine Eltern – diese Ungewissheit und Sorgen waren sicherlich nicht einfach. Das ist aber auch heute eigentlich nicht so viel anders. Vielleicht lesen auch gerade werdende Eltern diesen Beitrag und sind unsicher, was die Diagnose eigentlich bedeutet. Denn auch heute noch gibt es jede Menge Mythen über die Hämophilie. Gerade deshalb mag ich aber auch active-a.de so gerne. Hier bekommt Ihr ja genau solche Berichte wie meinen, die Aufklärung geben, die Euch interessieren und die halt nicht nur Informationen aus dem Lehrbuch wiedergeben.
Was richtig gut und vor allen Dingen auch wichtig war, ist der Umstand, dass mein Vater immer zu meiner Mutter gehalten hat und es da nie Probleme zwischen den beiden wegen der Hämophilie gab. Sie haben immer zusammengehalten, was sicherlich auch nicht selbstverständlich ist. Das hat dazu geführt, dass sie diese schwierige Phase überstanden haben und Hilfe finden konnten.
Thema Operationen bei Konduktorinnen
Da es eigentlich keine Probleme bei meiner Mutter gab, denkt man vielleicht, dass Konduktorinnen dann im Alltag eigentlich nichts zu beachten haben. Das stimmt aber nur bedingt! Denn wie Ihr Euch sicherlich vorstellen könnt, hat meine Mutter wie die meisten Menschen in Ihrem Alter mittlerweile auch Operationen hinter sich gebracht. Diese gehen natürlich nicht ohne Blutungen vorüber und müssen bei einer Konduktorin – wenn möglich – gut geplant werden. Denn obwohl sie keine Bluterinnen sind, ist die Gerinnung nicht normal, sondern ebenfalls reduziert, wenn gleich nicht annähernd so stark wie bei den Blutern. Von so einer Planung muss man dann auch heutzutage leider oft noch die Hausärztinnen und -ärzte überzeugen, die einem dann in der Regel erstmal eine Überweisung in das nächstgelegene Krankenhaus ausstellen.
Absprache mit dem Hämophilie-Zentrum vor einer OP
Bei meiner Mutter wurden bisher alle geplanten Operationen in enger Absprache mit dem Hämophilie-Zentrum geplant und durchgeführt. Das heißt, das Operationsteam wird darüber informiert, dass es sich hier um eine besondere Patientin handelt, und es werden Vorkehrungen für die Operation getroffen. Auch das Labor des jeweiligen Klinikums muss Bescheid wissen, denn es werden während der Operation die Gerinnungswerte bestimmt. Werden diese zu schlecht, dann bekommt man auch als Konduktorin Faktor VIII gespritzt. Für manche ist das vielleicht neu, denn man redet ja eigentlich immer nur über die Bluter, wenn das Thema Hämophilie mal auf den Tisch kommt. Also sollte man im Vorfeld unbedingt mit dem Hämophilie-Zentrum die Situation bzw. die geplante Operation besprechen und auch schauen, ob es nicht eine Klinik gibt, die sich bereits mit dem Thema Konduktorinnen auskennt bzw. mit der Hämophile-Ambulanz und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten auch im Austausch steht.
Alles wird gut
Wenn diese genannten Dinge beachtet werden, dann gibt es bei einer Operation auch kein höheres Risiko für die Konduktorin im Vergleich zu einer gesunden Frau. Zumindest ist bei meiner Mutter immer alles gut gegangen, insbesondere auch was das Thema Blutungen während einer Operation angeht. Daher trifft mein Motto „Alles wird gut“ auch hier zu.
Fazit
Wenn Ihr Konduktorinnen seid und eine geplante Operation ansteht, dann plant das nicht nur mit dem Operationsteam, sondern unbedingt auch mit Euren behandelnden Ärztinnen und Ärzten im Hämophilie-Zentrum. Das ist essenziell für einen Erfolg der OP und verhindert brenzlige Situationen. Warum unnötig in Gefahr bringen, wenn es auch einfacher geht?
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