Als Eltern macht man sich ständig Sorgen um das Kind mit Hämophilie. Aber wie geht es eigentlich den Geschwisterkindern?
Ich habe mir immer sehr wenig Gedanken über das emotionale Befinden unserer Tochter gemacht, denn ihr geht es ja gesundheitlich gesehen gut. Klar, sie musste sehr oft zu den Großeltern, wenn ich mal wieder mit ihrem Zwillingsbruder in der Klink war. Und sie musste oft mitkommen, wenn wir zu den Routineuntersuchungen oder Faktorgaben zum Kinderarzt oder in die Klinik mussten.
Unsere damalige Ärztin machte das immer ganz toll. Wenn wir bei ihr waren, dann kümmerte sie sich auch um unsere Tochter, sprach mit ihr und fragte, wie es ihr geht.
Ein Kind ohne Hämophilie A spritzen?
Eines Tages, sie war ca. vier Jahre alt, kam sie nach dem Spritzen unseres Sohnes auf uns zu und fragte, ob wir sie nicht auch „piksen“ könnten? Was war das? Ich war erstmal sehr geschockt darüber, dass man das als Kind freiwillig wollte. Ich ließ das Ganze aber so im Raum stehen. Ein paar Tage später fragte sie uns jedoch erneut.
Sie sagte: „Ich will auch mal „gepikst“ werden“.
Da dachte ich: „Ok, wir müssen das Vene-Piksen ja eh lernen. Warum also nicht?“ Gesagt, getan.
Wir haben alles vorbereitet und dann meine Tochter gespritzt. Sie bekam natürlich nur Kochsalzlösung verabreicht. Aber sie machte es vorbildlich und genoss es, danach gelobt zu werden. Jahre später habe ich durch Bekannte von uns, die in einer ähnlichen Situation wie wir waren, von genau diesem Verhalten des Geschwisterkindes erfahren.
Zeit zu zweit mit dem gesunden Kind
Nach diesem Erlebnis wurde mir bewusst, dass man manchmal einfach im Eifer des Gefechts die Geschwisterkinder vernachlässigt. Ist man beim Arzt, geht es nur ums kranke Kind. Redet man mit Freunden oder der Verwandtschaft, geht es oft als erstes um das kranke Kind. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mir, meist an den Tagen, an denen unser Sohn nicht gespritzt werden musste, einfach mal nur für meine Tochter zehn Minuten Zeit genommen.
Ich habe sie zu mir auf den Schoß gesetzt und mich nur mit ihr unterhalten. Auch sehr viel über Hämophilie, natürlich in kindgerechten Worten. Das ihrem Bruder der Klebstoff im Blut fehlt und wir ihm diesen mit der Spritze geben müssen. Ich habe diese Zeit zu zweit auch vorher angekündigt und wir ließen uns durch niemanden stören.
Vor allem nicht durch ihren Bruder. Es waren manchmal sehr harte zehn Minuten für ihn. Aber es hat unserer Tochter gut getan, dass sie mal ganz alleine im Mittelpunkt stand.
Mein Tipp an alle Eltern: Bezieht alle eure Kinder in das Thema Hämophilie A mit ein
Ich kann nur allen Eltern empfehlen: Schaut auch nach euren „gesunden“ Kindern und seht die Hämophilie mal aus ihrer Sicht. Erklärt ihnen so früh wie möglich, was es mit der Hämophilie auf sich hat und dass man im entsprechenden Augenblick richtig handeln muss. Ich glaube, unserer Tochter hat es gut getan, dass wir sie ins Thema Hämophilie ebenso tief involviert haben wie ihren betroffenen Bruder.
Man muss ja auch weiterdenken, denn vielleicht wird sie ja selbst mal Mutter eines Sohnes mit Hämophilie A?
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