Mit einer frühen Prophylaxe Dein Kind schutzen

Hämophilie-Therapie ab Geburt: Frühzeitige Prophylaxe schützt Dein Kind!

Mittlerweile gibt es viele verschiedene Medikamente, die zur Therapie von Hämophilie A eingesetzt werden können. Doch welche Therapie eignet sich ab welchem Alter bzw. ab wann sollte therapiert werden? Hier erfährst Du, warum es wichtig ist, frühzeitig mit der richtigen Hämophilie-Therapie zu starten.

Generell gilt bei Hämophilie das Therapieziel „Zero Bleeds“. Denn jede Blutung ist eine zu viel und kann Schäden verursachen – besonders in den Gelenken. Deswegen ist ein konstanter Blutungsschutz durch eine gute Prophylaxe das A&O der Hämophilie-Therapie. Sie ermöglicht eine vollständige Teilhabe am Leben – egal ob beruflich oder sozial – und stellt sicher, dass Hämophile ein ziemlich normales Leben führen können.

Kinder und Erwachsene können sich mit einer Prophylaxe vor Blutungen schützen. Doch wie ist das bei Neugeborenen und Babys, die noch nicht so aktiv sind? Ist eine Prophylaxe da überflüssig? Klare Antwort: Nein! Neben den Blutungen, bei denen ein Auslöser bekannt ist, gibt es auch die sogenannten Spontanblutungen, die ohne Ursache von außen auftreten können, und denen durch eine Prophylaxe vorgebeugt werden kann.

Info

Als Prophylaxe (auch prophylaktische Therapie, Dauerprophylaxe oder dauerhafte Prophylaxe) werden Behandlungen bezeichnet, die regelmäßig vorbeugend verabreicht werden und bestimmte Ereignisse verhindern sollen.
Beim Beispiel der Hämophilie sollen so Blutungen vermieden werden. Das Gegenteil ist die Bedarfsbehandlung (auch Akuttherapie oder On-Demand-Therapie). Eine prophylaktische Therapie schließt jedoch eine Bedarfsbehandlung nicht aus. Kommt es zu einer Blutung, kann eine Akuttherapie sogar notwendig sein.  

Wichtig: Frühzeitige Prophylaxe bei Hämophilie A

Blutungen bei Kindern, Kleinkindern oder sogar Neugeborenen dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da so schon früh im Leben Schäden entstehen können, die im Erwachsenenalter zu Synovitis, hämophilen Arthropathien und Bewegungseinschränkungen führen können.1 Zudem können auch lebensgefährliche Blutungen im Kopf – sogenannte intrakranielle Blutungen – auftreten, die zu schweren Langzeitfolgen führen können. Hämophile Säuglinge, die keine Prophylaxe erhalten, haben ein 33-fach höheres Risiko für so eine Blutung als Babys ohne Hämophilie.2,3 Mit einer Prophylaxe kann solchen Blutungen vorgebeugt werden.

Tipp

Die Richtlinien der World Federation of Hemophilia (WFH) empfehlen einen frühen Therapiestart (vor dem 3. Lebensjahr) mit einer prophylaktischen Behandlung als Therapiestandard.4 Expert:innen plädieren für einen Therapiebeginn möglichst bald nach Diagnose.5

Welche Hämophilie-Therapieoptionen gibt es für Babys?

Mittlerweile gibt es zwei verschiedene Therapieoptionen, die als Prophylaxe infrage kommen: die Faktor-VIII-Ersatztherapie und eine nicht-Faktor-basierte Therapie.

Die in der Vergangenheit übliche Prophylaxe ist die Faktor-VIII-Ersatztherapie, welche intravenös verabreicht wird.6 Abhängig vom Faktor-VIII-Präparat wird mehrmals die Woche gespritzt. Damit den Babys nicht jedes Mal ein neuer Venenzugang gelegt werden muss, wird häufig ein zentraler Venenzugang verwendet. Dieser verringert die Behandlungslast für die kleinen Kinder.7,8 Mittlerweile gibt es auch Präparate mit verlängerter Halbwertszeit. Das bedeutet, sie können länger im Körper wirken und müssen deswegen seltener gespritzt werden.9

Zentrale Venenzugänge können Komplikationen wie Infektionen oder Thrombosen verursachen.8 Deswegen wird meist bis nach dem ersten Geburtstag gewartet, um mit einer Prophylaxe zu starten, da die Venen dann besser zugänglich sind.10 Im ersten Lebensjahr besteht jedoch ein hohes Risiko für intrakranielle Blutungen, und auch Gelenkblutungen können bereits auftreten und Schäden verursachen.1,2,11

Zudem entwickeln ca. 30 Prozent aller Betroffenen mit schwerer Hämophilie A Hemmkörper gegen Faktor VIII, welche den Erfolg der Therapie beeinträchtigen.12,13 Im Durchschnitt sind die Patienten dabei 15,5 Monate alt und haben zwischen 9- und 36-mal ein Faktor-VIII-Präparat verabreicht bekommen.14,15

Die zweite Option für eine Dauerprophylaxe ist ein nicht-Faktor-basiertes Medikament. Es wird subkutan verabreicht und erfordert daher keinen Venenzugang, was die Therapielast verringert.16 Auch eine Infusion des Faktorpräparats über die Kopfvene, wie sie häufig bei Babys angewendet wird, entfällt. Somit kann das Medikament direkt ab Geburt bzw. Diagnose verabreicht werden. Durch eine längere Halbwertszeit sind auch längere therapiefreie Intervalle möglich.

Das Medikament kann keine Hemmkörper auslösen, da diese nur gegen Faktor VIII gerichtet sind. Stattdessen können in seltenen Fällen gegen das Medikament gerichtete Antikörper auftreten, die eventuell dessen Wirkung beeinträchtigen können.17

Info

Besprich Dich regelmäßig mit dem Behandlungsteam Deines Kindes, welche innovativen Therapieoptionen es gibt und welche für Dein Kind infrage kommen. Denn die Forschung zu Hämophilie A geht ständig weiter.

Auch wenn die Hämophilie jetzt irgendwie zu Deiner Familie gehört – durch einen konstanten Blutungsschutz durch eine geeignete und frühzeitige Prophylaxe kann Dein Kind fast überall aktiv mitmachen, ohne dass die Hämophilie Euren Alltag bestimmt und Du Dir ständig Gedanken um die Hämophilie und die Gelenkgesundheit Deines Kindes machen musst. Eine lange therapiefreie Zeit durch große Therapieintervalle können die Therapielast zusätzlich reduzieren.

Falls Du ein Kind mit der Diagnose „Hämophilie“ erwartest, sprich rechtzeitig mit dem Behandlungsteam über mögliche und innovative Behandlungsmethoden oder mache einen Termin im nächstgelegenen Hämophilie-Zentrum aus.

Irgendwann wird es dann so weit sein, dass Du Dein Kind ein wenig loslassen musst, z. B. wenn es in die Kita geht. Dann ist es wichtig, dass auch andere betreuende Personen über die Hämophilie informiert sind, und wissen, was im Notfall zu tun ist. Hier haben wir zwei hilfreiche Materialien dafür zusammengestellt: Flyer für Betreuungspersonen und Notfallcheckliste.

Welche Injektionsmöglichkeiten gibt es für Kleinkinder?

Als Eltern steht man vor der schweren Entscheidung, welche Therapie die beste für das eigene Kind ist. Welche Verabreichungsart kann man Neugeborenen zumuten bzw. welche ist die verträglichste für Babys? Wie häufig muss ein Medikament verabreicht werden? Ist eine lange therapiefreie Zeit möglich? Kann eine Heimbehandlung stattfinden oder muss für jede Medikamentengabe in eine Klinik gefahren werden? Welche Medikation können die Eltern gut selbst verabreichen? Wie kann die Behandlungslast möglichst gering gehalten werden? Diese und noch mehr Fragen sind relevant für eine Therapieentscheidung.

Hämophilie-Medikamente können Kindern mithilfe verschiedener Applikationsformen verabreicht werden. Hier findest Du eine Übersicht:9,18

Behandlungsmöglichkeiten für Kleinkinder mit Hämophilie A

Info

Mit der für Dein Kind am besten geeigneten Prophylaxe, der angenehmsten Verabreichungsart und langen Therapieintervallen kann es aktiv am Leben Teil nehmen, und ihr müsst nicht ständig über die Hämophilie und ihre Therapie nachdenken.

Tipps für Konduktorinnen

Wenn Du das hier liest, bist Du vermutlich Mutter eines hämophilen Kindes und somit selbst eine Trägerin des defekten Gens für Faktor VIII (Konduktorin). Denn bei 70 Prozent aller Hämophilie-Fälle liegt eine familiäre Vorgeschichte vor.22

Wir wissen, wie nützlich Erfahrungen von anderen Betroffenen sein können – besonders, wenn die Diagnose „Hämophilie“ das erste Mal für Dich bewusst in Deiner Familie auftritt oder Dich vielleicht sogar nach der Geburt spontan überrascht. Deswegen findest Du hier informative und hilfreiche Artikel sowie Blog-Beiträge von anderen Betroffenen rund um das Thema „Konduktorin“.

Dich interessiert das Thema? Schau auch gerne mal in unser YouTube-Video gemeinsam mit unserer Bloggerin Simone:

Hast Du Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail über das Kontaktformular. Wir melden uns schnellstmöglich zurück.

Quellen:

  1. Warren BB et al. Young adult outcomes of childhood prophylaxis for severe hemophilia A: results of the joint Outcome Continuation Study. Blood Adv. 2020; 4(11):2451–2459
  2. Zwagemaker A-F et al. Incidence and mortality rates of intracranial hemorrhage in hemophilia: a systematic review and meta-analysis. Blood. 2021; 138(26):2853–2873
  3. Astermark J et al. Considerations for shared decision management in previously untreated patients with hemophilia A or B. Ther Adv Hematol. 2023;14: 20406207231165857
  4. Srivastava A et al. WFH guidelines for the management of hemophilia, 3rd edition. Haemophilia. 2020; 26(suppl 6):1–158
  5. Benckendorff A. Schwere Hämophilie A: Prophylaxe im Säuglingsalter beginnen. Dtsch Arztebl 2024; 121(5): A-344
  6. Schwartz RS et al. Human recombinant DNA–derived antihemophilic factor (factor VIII) in the treatment of hemophilia A. N Engl J Med. 1990; 323(26):1800–1805
  7. Wiley RE et al. From the voices of people with haemophilia A and their caregivers: challenges with current treatment, their impact on quality of life and desired improvements in future therapies. Haemophilia. 2019; 25(3):433–440
  8. Valentino LA et al. Central venous access devices in haemophilia. Haemophilia. 2004; 10(2): 134–146
  9. Miesbach W et al. Treatment Options in Hemophilia. Dtsch Arztebl Int 2019; 116(47):791–798
  10. Ljung R et al. PedNet study group. Primary prophylaxis in children with severe haemophilia A and B – implementation over the last 20 years as illustrated in real-world data in the PedNet cohorts. Haemophilia. 2023; 29(2):498–504
  11. Singleton TC und Keane M. Diagnostic and therapeutic challenges of intracranial hemorrhage in neonates with congenital hemophilia: a case report and review. Ochsner J. 2012; 12(3):249–253
  12. Oladapo AO et al. Inhibitor clinical burden of disease: a comparative analysis of the CHESS data. Orphanet J Rare Dis. 2018; 13(1):198
  13. Walsh CE et al. United States Hemophilia Treatment Center Network. Impact of inhibitors on hemophilia A mortality in the United States. Am J Hematol. 2015; 90(5):400–405
  14. Gouw SC et al. Intensity of factor VIII treatment and inhibitor development in children with severe hemophilia A: the RODIN study. Blood. 2013; 121(20):4046–4055
  15. Wight J und Paisley S. The epidemiology of inhibitors in haemophilia A: a systematic review. Haemophilia. 2003; 9(4):418–435
  16. Pipe SW et al. Emicizumab prophylaxis in infants with hemophilia A (HAVEN 7): primary analysis of a phase 3b open-label trial. Blood. 2024; 143(14):1355–1364
  17. Schmitt C et al. Low immunogenicity of emicizumab in persons with haemophilia A. Haemophilia. 2021; 27(6):984–992
  18. Bertamino M et al. Hemophilia Care in the Pediatric Age. J Clin Med 2017; 6(5):54
  19. https://flexikon.doccheck.com/de/Port, zuletzt abgerufen am 09.07.2024
  20. https://www.pschyrembel.de/Broviac-Katheter/K0QUQ, zuletzt abgerufen am 09.07.2024
  21. https://www.picc-netzwerk.de/der-broviac-hickman-katheter-was-ist-das-und-wozu-dient-er/, zuletzt abgerufen am 09.07.2024
  22. Sarmiento Doncel S et al. Haemophilia A: A Review of Clinical Manifestations, Treatment, Mutations, and the Development of Inhibitors. Hematol Rep. 2023; 15(1):130–150

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