Gelenkgesundheit und Blutungsrate bei Hämophilie

Gesunde Gelenke durch „Zero Bleeds“?

„Jede Blutung ist eine zu viel.“ Diese Aussage hast Du sicherlich schon das eine oder andere Mal von Deinem Hämophilie-Behandlungsteam gehört, wenn es um Deine Gelenkgesundheit ging. Vielleicht ist auch der Begriff „Zero Bleeds“ in dem Zusammenhang gefallen, was so viel wie „Null-Blutungsrate“ bedeutet.

Schütze Deine Gelenke durch Prophylaxe

Was dahinter steckt , ist Folgendes: Kommt es bedingt durch Deine Hämophilie A zu Gelenkblutungen, kann schon eine Blutung ausreichen, um Entzündungen der Gelenkinnenhaut (Synovitis) hervorzurufen.

Geschieht dies wiederholt, sind chronische Entzündungen die Folge. Dadurch verdickt sich die Gelenkinnenhaut und wird anfälliger für weitere Blutungen.

Unbehandelt zerstört dieser Kreislauf auf Dauer den Knorpel, sodass es langfristig zu Gelenkveränderungen kommen kann. Betroffene nehmen deshalb eine Schonhaltung ein, die die Muskeln und Bänder beeinträchtigt. Die dadurch herbeigeführte Fehlhaltung fördert wiederum den Muskelabbau und führt zu weiteren Bewegungseinschränkungen.1

Folglich wäre es am besten, wenn es nur möglichst selten oder gar nicht (Zero Bleeds) zu Blutungen kommt: Null-Blutungen sollten deshalb das Ziel Deiner Hämophilie-Behandlung sein. Hilfreich sind hierbei prophylaktische (vorbeugende) Behandlungsoptionen, die die Blutungsrate geringhalten bzw. im besten Fall ganz verhindern sollen.

Auf diese Weise sollen Deine Gelenke geschützt werden, was auch zu einer höheren Lebensqualität führt. Studien weisen darauf hin, dass Blutungsereignisse bei Hämophilen mit Bedarfsbehandlung etwa 15-mal häufiger auftreten als bei hämophilen Personen mit einer prophylaktischen Behandlung.

Des Weiteren zeigen die Studienergebnisse, dass die Teilnehmer mit einer Bedarfstherapie etwa doppelt so häufig ihr Hämophilie-Zentrum aufsuchen oder sich einer Gelenkoperation unterziehen müssen.2 Bei einer Bedarfsbehandlung („On-Demand-Therapie“) werden die Medikamente erst bei akuten Blutungen verabreicht, sodass diese Therapie nicht vorbeugend wirken kann.

Primäre, sekundäre und tertiäre Prophylaxe – was steckt dahinter?³

Abhängig davon, in welchem Alter Du Deine prophylaktische Therapie beginnst und wie viele Gelenkblutungen Du schon hattest, sprechen Expert:innen von primärer, sekundärer oder tertiärer prophylaktischer Behandlung.

Primäre Prophylaxe3:
Sie beginnt meist in der frühen Kindheit (unter 3 Jahre) und bevor eine Gelenkblutung aufgetreten ist. Hier ist die Chance sehr groß, dass Du ein Leben ohne Gelenkarthropathie führen kannst.

Sekundäre Prophylaxe3:
Sie beginnt nach zwei oder mehr Gelenkblutungen, aber bevor ein Gelenkschaden nachweisbar ist. Hier ist das Risiko für Gelenkarthropathie bereits erhöht.

Tertiäre Prophylaxe3:
Sie beginnt altersunabhängig, wenn schon Gelenkschäden vorhanden sind. Dabei ist das Ziel, weitere Schäden zu verhindern, Entzündung und Schmerzen zu reduzieren sowie die Mobilität zu erhalten. Doch auch hierbei kann die Blutungsrate noch auf annähernd „Zero Bleeds“ gesenkt werden.

Dein Ziel: Zero Bleeds

Je früher eine prophylaktische Therapie beginnt, desto wirksamer ist sie im Verhindern von dauerhaften Gelenkschäden. Das zeigen Langzeitstudiendaten zur Gelenkgesundheit bei Kindern. Eine Bedarfsbehandlung schützt hingegen nicht so gut vor Schäden an Deinen Gelenken.4 Verschiedene Daten weisen jedoch darauf hin, dass auch eine dauerhafte Faktor-VIII-Prophylaxe nicht bei jedem Betroffenen ausreicht, um ein Leben lang vor Gelenkschäden zu schützen.4

Treten bei Deiner aktuellen Therapie Blutungen auf? Dann hast Du vielleicht noch nicht die für Dich beste Therapie gefunden. Informiere Dich bei Deinem Hämophilie-Behandlungsteam über neue Therapieoptionen, die für Dich und Deine Hämophilie infrage kommen. Denn egal, in welchem Alter Du die prophylaktische Therapie beginnst und ob Du eventuell schon eine hämophile Arthropathie hast – „Zero Bleeds“ sind auch für Dich möglich und sollten Dein Ziel sein.

Empfehlenswert ist, wenn Du genau Protokoll über Deine Blutungsereignisse führst. Darin sollte zum Beispiel stehen, wann und an welchem Gelenk die Blutung aufgetreten ist und wie stark sie war.

Außerdem ist es für Dein Behandlungsteam wichtig zu erfahren, welches Hämophilie-Medikament und welche Dosis Du verwendet hast und was der Grund für die Blutung gewesen ist, wie beispielsweise ein Sturz oder eine Spontanblutung.

Willst Du mehr über das Thema Gelenkgesundheit erfahren? Dann klick Dich auch in diesen spannenden Beitrag zum Thema Hämophilie A und Gelenkgesundheit.

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Quellen:

  1. Kinderblutkrankheiten – PDF Veröffentlichung Hämophilie A und B (Seite 12)
  1. Manco-Johnson MJ, Lundin B, Funk S, et al.: Effect of late prophylaxis in hemophilia on joint status: a randomized trial. J Thromb Haemost 2017; 15: 2115–24
  1. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/jth.12672
  1. Warren BB et al. Young adult outcomes of childhood prophylaxis for severe hemophilia A: results of the Joint Outcome Continuation Study. Blood Adv 2020; 4(11):2451-2459
  2. http://www.deutsche-arthrose-stiftung.de/cgi-php/relooa.prod/joomla/index.php?option=com_content&view=article&ide=5&ltemid=106#Definition