Erfahrungen mit Gelenkschäden und -entzündungen bei Hämophilie A

Erfahrungen mit Gelenkschäden und -entzündungen bei Hämophilie A

Hier schreibe ich über Rainers Erfahrungen mit operativen Verfahren und weiteren Empfehlungen des Hämophilie-Zentrums zur Behandlung. Außerdem bekommt Ihr Tipps, was Ihr selbst tun könnt, um Euren Körper zu unterstützen.

Hämophilie kann bei mangelnder oder ohne Prophylaxe mit Spätfolgen einhergehen. Rainer hatte viele Blutungen in der Kindheit. Eine Prophylaxe fing er erst mit sieben Jahren an. Über die Jahre hat sich eine hämophile Arthropathie im rechten oberen Sprunggelenk im Fuß und in beiden Knien entwickelt. Vor kurzem wurde im Hämophilie-Zentrum festgestellt, dass er auch in den Daumensattelgelenken an beiden Händen eine hämophile Arthropathie und eine Synovitis hat. 

Wie entstehen eine Synovitis und hämophile Arthropathie? 

Kurz und einfach erklärt: Eine Synovitis oder Entzündung der Gelenkinnenhaut entsteht durch Gelenkeinblutungen. Das Blut wird vom Körper abgebaut. Bei diesem Abbau bleibt Eisen aus dem Blut zurück, was zu Entzündungsreaktionen an der Gelenkinnenhaut führen kann. 

Wenn das sehr oft passiert, wird die Synovitis chronisch. Mehrere solcher Entzündungsvorgänge an der gleichen Stelle können zu Gelenkveränderungen und Fehlstellungen sowie zu einer hämophilen Arthropathie (Hämophilie-bedingte Gelenkerkrankung aufgrund von Gelenkeinblutungen) führen. 

Empfehlung des Hämophilie-Zentrums  

Für die hämophile Arthropathie und Synovitis in den Daumensattelgelenken bekam Rainer im Hämophilie-Zentrum eine Therapie mit Schmerzmedikamenten empfohlen, die die Entzündung hemmen sollen. Er sollte jeden Tag eine Schmerztablette nehmen, acht Tage lang. Ebenfalls wurde eine Radiosynoviorthese (RSO) vorgeschlagen. Dabei wird ein radioaktives Medikament in das betroffene Gelenk gespritzt. Eine RSO wird angewendet, um das Fortschreiten der Synovitis zu verlangsamen oder zu unterbinden. Allerdings gehen die Schmerzen, die durch einen bereits bestehenden Knorpelschaden vorhanden sind, nicht mehr durch eine RSO weg.  

Arthroskopie linkes Knie 

Die jahrelangen Fehlbelastungen der Gelenke und die Knorpelschäden verursachten über die Jahre immer mehr Schmerzen. Rainer konnte nur noch schlecht laufen. Irgendwann war der Alltag nur noch mit starken Schmerzen zu bewältigen, bis nichts mehr ging. Weil die Schmerzen nicht mehr erträglich waren, wurde 1996 eine Arthroskopie am linken Knie durchgeführt.  

Als Vorbereitung auf die Operation, musste Rainer eine höhere Dosis Faktor VIII spritzen. Während der Operation wurden der Knorpel geglättet, Spitzen weggesägt und Bruchstücke entfernt. Fünf Tage nach der Operation konnte er anfangen, sein Bein zu bewegen. Dafür bekam er ein Beintrainingsgerät, bei dem man beim Treten in die Pedale von einem Motor unterstützt wird. Im Gegensatz zu früher, darf man heute das Bein gleich nach der Operation bewegen.  

Arthroskopie rechtes Sprunggelenk und Knie

2002 wurde eine Arthroskopie am rechten Sprunggelenk und dem rechten Knie durchgeführt. Rainer hatte sehr starke Dauerschmerzen am Fuß. Er ist deshalb nur mit hoher Schmerzmitteldosis durch den Tag gekommen. Außerdem ließ sich der Fuß über Stunden nicht bewegen. Der ärztliche Vorschlag im Hämophilie-Zentrum war, die Knochen im Sprunggelenk zu versteifen. Rainer wollte das nicht, sondern war für eine Arthroskopie. Da er mit dem Ergebnis der ersten Arthroskopie am Knie zufrieden war, dachte er, dass diese Methode auch am Fuß angewendet werden könnte. Eine Arthroskopie am Fuß galt damals als kompliziert und man hatte aufgrund des bei Rainer bestehenden Knorpelschadens keinen Nutzen gesehen. 

Letztendlich war der damalige Arzt nach Gesprächen mit Rainer bereit, die Arthroskopie durchzuführen anstatt der Versteifung des Sprunggelenks. Die eigentliche Operation des rechten Sprunggelenks und gleichzeitige Operation des Knies verliefen gut. Die Schmerzen am rechten Fuß waren weg. Da aber ein Nerv während der OP getroffen wurde, war der Fuß danach taub und Rainer konnte ihn nicht bewegen. Eine Reha war daher erstmal nicht möglich. Er musste fast ein halbes Jahr mit dem Bein in einer Schiene laufen, bis der Nerv sich wieder vollständig erholt hatte. Da der rechte Fuß nicht beweglich war, mussten das linke Bein und der linke Fuß viel Belastung ausgleichen.  

Zweite Arthroskopie linkes Knie

Vier Jahre später musste das linke Knie zum zweiten Mal operiert werden, wegen einer Zyste im Knochen, die aus einer Einblutung im Knochen entstand. Rainer hatte Dauerschmerzen trotz Schmerzmittel. Aufgrund der Schmerzen musste er den Urlaub abbrechen. Gemeinsam mit den Ärzten und Ärztinnen im Hämophilie-Zentrum entschloss er sich zu einer weiteren Arthroskopie.  

Das Hämophilie-Zentrum hat die Operation vorbereitet, während Rainer aus der Schweiz nach Hause reiste, einen Koffer für die Klinik packte und dann zum Hämophilie-Zentrum fuhr. Nach der Operation war der brennende Dauerschmerz weg, und es blieb der „normale“ Schmerz, den er immer hat. Rainer vermutete, dass er seine Gelenke durch stunden- und kilometerlange Wanderungen in jungen Jahren zu stark belastet und ihnen zu wenig Ruhe gegönnt hatte, sodass dies mit noch anderen Einflüssen zu den Dauerschmerzen von heute geführt hat. 

Was könnt Ihr selbst tun? 

Bewegung  

Wenn Ihr blutungsbedingte Gelenkschäden habt, können Eure Ärzte und Ärztinnen im Hämophilie-Zentrum Euch langfristige Verordnungen für Physiotherapie und Ergotherapie ausstellen. Im Idealfall macht Ihr die Übungen, die Euch gezeigt werden, zu Hause weiter. 

Generell sind bei Hämophilie kontrolliertes Krafttraining und eine Sportart, die Euch gefällt und guttut, empfehlenswert. Das Hämophilie-Zentrum hat Rainer in der Kindheit Schwimmen empfohlen. Aber auch eine andere Sportart ist denkbar. Hauptsache, Ihr bewegt Euch. Wir empfehlen Euch auch sehr, mal genau Eure Körperhaltung, Eure Balance und Euer Laufen im Alltag anzuschauen und dies gegebenenfalls mit Fachleuten zu trainieren oder, falls nötig, zu korrigieren.  

Ganzheitliche Betrachtung 

Aus Erfahrung können wir auch Folgendes zur Unterstützung empfehlen: 

Rainer hat Osteopathie und Chiropraktik ausprobiert. Seine Idee war, seine Körperhaltung zu verbessern und die Muskelverspannungen zu lösen. In der Osteopathie wird versucht, Verspannungen und Bewegungseinschränkungen zu ertasten. Muskeln und Gelenke sollen wieder beweglich gemacht werden. 

Für Rainer hat sich dieser Test gelohnt. Am Anfang hatte er alle zwei Wochen einen Termin, danach jedes Vierteljahr für drei Jahre. Er bemerkte, dass sich sein Gangbild verändert hat und mehr Bewegung in den Gelenken möglich war. Die Ärzte und Ärztinnen im Hämophilie-Zentrum wussten Bescheid und hatten keine Einwände. Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Osteopathie. 

Ab und zu lässt er sich von einer Physiotherapeutin behandeln, die auch gleichzeitig Heilpraktikerin ist. Sie hat ihren Schwerpunkt auf eine Schmerztherapie gelegt und bietet darüber hinaus eine Schmerzbehandlung nach ihrem eigenen Schmerzkonzept an. Auch das war ursprünglich als Versuch gedacht, weil Rainer hoffte, dass das Gelenk wieder beweglicher wird. Durch die Behandlungen konnte er die Streckung seines Knies verbessern. Dies ist im Hämophilie-Zentrum nach Messung der Streckung bestätigt worden.  

Mikronährstoffe und Ernährung 

Eine Mikronährstoff-Therapie und eine Umstellung der Ernährung können ebenfalls den Körper unterstützen, wenn er durch Entzündungen belastet ist. Zu unseren Erfahrungen mit hilfreichen und weniger hilfreichen Lebensmitteln wird es einen weiteren Artikel von mir geben. 

Bei der Mikronährstoff-Therapie ist es das Ziel, den Körper bestmöglich mit Mikronährstoffen zu versorgen. Wenn bestimmte Mikronährstoffe bei Euch fehlen oder Euer Körper nur unzureichend damit versorgt ist, kann ihn das belasten. Insbesondere bei einer chronischen Erkrankung oder wenn Ihr dauerhaft auf Medikamente angewiesen seid, ist es möglich, dass Euer Körper viele Mikronährstoffe benötigt. 

Euren Mikronährstoffstatus könnt Ihr bei einigen hausärztlichen Praxen, Heilpraktikerinnen oder Heilpraktikern über eine Blutuntersuchung erfahren. Dabei wird Blut abgenommen und an ein Labor geschickt. Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Mikronährstoffdefizite können in der Regel einfach behoben werden mit einer Ernährungsumstellung und (gegebenenfalls höherdosierten) Nahrungsergänzungsmitteln. 

Ihr könnt auch viel für Euch tun, wenn Ihr Eure Ernährungsgewohnheiten umstellt. Manche Lebensmittel können Entzündungen fördern und dadurch Gelenkschmerzen verursachen, zum Beispiel Schweinefleisch und Zucker. Wenn Ihr sie reduziert, ersetzt oder streicht, tut Ihr Eurem Körper etwas Gutes. Im Gegensatz dazu gibt es auch Lebensmittel, die einen sehr positiven Effekt haben und nach unseren Erfahrungen keine Schmerzen verursachen, zum Beispiel Quark, Salate oder Rote Bete. 

Weshalb bisher kein Gelenkersatz? 

Rainers Gedanken dazu: Der eigene Körper ist es wert, die Ursachen der Schmerzen, Entzündungen und Fehlstellungen zu verstehen, um eine Regeneration zu ermöglichen. Bei Operationen, die die Symptome von Fehlstellungen und Abnutzungen der Gelenke beheben, bleibt die Ursache weiterhin bestehen. Man sollte auch im Blick behalten, dass heutige Ersatzgelenke, je nach Art des Ersatzes und der Beschaffenheit des Materials etwa 20 Jahre halten. Das bedeutet nach heutigem Stand weitere Operationen, um Teile auszutauschen, je nach Alter, in dem man sich Ersatzgelenke einsetzen lässt. Hinzu können auch operative Korrekturen am Ersatzgelenk kommen, die möglicherweise vorgenommen werden müssen.  

Eine Operation, um künstliche Gelenke einzusetzen, kann trotzdem notwendig werden, wenn es absolut nicht mehr anders geht und alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Aber bis dahin gibt es viele Möglichkeiten, die man versuchen kann und wenn es nur Zeit ist, die es zu überbrücken gilt, bis der medizinische Fortschritt noch bessere Möglichkeiten bietet.  

Hast Du Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail über das Kontaktformular. Wir melden uns schnellstmöglich zurück.

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