Therapieumstellung – vom Port zum Spritzen

Therapieumstellung – vom Port zum Spritzen

Ich bin Manfred, Vater von Theo, 8 Jahre alt. Theo hat schwere Hämophilie A und bekommt eine Prophylaxe, seit er 1,5 Jahre alt ist. In diesem Beitrag erzähle ich Euch von der Therapieumstellung auf ein neues Medikament.
Therapieumstellung – so ein einfaches Wort mit so viel Bedeutung und Tragweite! Dass es bei uns irgendwann mal so weit sein sollte, konnten wir uns nicht vorstellen. Wir haben den Gedanken auch weit weggeschoben, es lief doch alles gut. Alle zwei Tage spritzen über den Port: Theo war daran gewöhnt und wir auch. Routine halt.

Fragen und Zweifel

Dann kam der nächste reguläre Termin in unserem Krankenhaus, und der Arzt unseres Vertrauens sagte, dass er uns gern nach Berlin in die Gerinnungsambulanz überweisen würde. Es gäbe da ein Medikament, das die ganze Spritzenprozedur erleichtern würde. Wir sollten dort doch mal anrufen. Ich war begeistert, meine Frau eher skeptisch. Was wäre, wenn Theo das Medikament nicht vertragen würde? Welche Nebenwirkungen kämen auf uns zu und was würde das alles für unseren Alltag bedeuten? So viele Fragen … Aber gut, erstmal anrufen. Gesagt, getan. Wir haben angerufen und einen Termin für ein Zoom-Meeting mit einer Ärztin bekommen. Dabei sollte uns alles über dieses neue Medikament erklärt werden und auch, wie die Therapieumstellung ablaufen würde.

Aufgeregt nahmen wir an diesem Meeting teil. Ganz neue Abläufe würden auf uns zukommen. Wir durften entscheiden, wie häufig wir im Monat spritzen wollen. Ich habe fleißig mitgeschrieben, doch Theos Mama war immer noch skeptisch. Sie hatte Angst vor den Veränderungen. Weil wir das neue Medikament seltener spritzen sollten, war alles auf einmal anders. Was, wenn wir vergessen würden zu spritzen? Woran würden wir merken, dass das Medikament auch wirklich wirkt? Wir haben lange mit der Ärztin geredet und die Ängste wurden uns genommen.

Wie lief die Therapieumstellung?

Wir haben uns für ein mittleres Therapieintervall entschieden. Uns wurde ein Termin in der Charité zugeschickt, bei dem mit der Umstellung begonnen und Theo das erste Mal das neue Medikament verabreicht werden sollte.

Vor diesem Termin in Berlin hatten wir schon ein wenig Angst: Jetzt hieß es, Theo darauf vorzubereiten. Er kann schlecht mit neuen Situationen umgehen und hat nicht verstanden, warum er nicht weiter über den Port gespritzt werden sollte. Geduldig haben wir ihm erklärt, was die neue Therapie für eine Erleichterung sein wird. Er konnte es sich nicht vorstellen – wie auch, er kannte doch nur die Prophylaxe über den Port.

Dann war es so weit. Das gesamte medizinische Personal war supernett und verständnisvoll, unsere Fragen wurden nochmal ausführlich beantwortet und alles genau erklärt. Bereits im Zoom-Meeting wurde uns erklärt, wie das Medikament im Körper wirkt und dass es wichtig ist, dass Theo immer seinen Notfallpass bei sich hat, in dem auch drinsteht, welches Medikament verabreicht wird. Zudem wurde uns gesagt, was wir bei einem Notfall, der Gott sei Dank noch nicht vorgekommen ist, tun müssen. Es waren so viele Informationen auf einmal und nach und nach ist alles gesackt.

Nach ein paar Anläufen konnte Theo dann das Medikament verabreicht werden. Es lief nicht ohne Tränen, denn die Situation war doch so ungewohnt und auch die Verabreichung ist eine ganz andere. Das können wir Theo leider nicht abnehmen.

Wir haben einen vorübergehenden Therapieplan erhalten, den wir befolgen sollen. Denn bis Theo ganz auf das neue Medikament eingestellt ist, muss eine Woche lang noch wie gewohnt zusätzlich das alte Medikament gespritzt werden.  

Unser Leben mit der neuen Therapie

Bis heute ist es so, dass das Spritzen immer noch neu und für Theo unangenehm ist – egal ob langsam oder schneller gespritzt wird. Wir zählen die Zeit runter oder versuchen, ein Lied zu singen. Seine Mama erzählt ihm, was wir in den nächsten Wochen alles so vorhaben, oder wir versuchen, uns an den letzten Urlaub zu erinnern oder erzählen ihm, dass er sich irgendwann selbst spritzen wird. Theo versucht tapfer zu sein, aber nach wie vor ist es ungewohnt für ihn. Wie sehr ihn das alles beschäftigt, merken wir, indem er die Tage bis zum nächsten Spritzen zählt.

Es ist sicher auch vieles einfacher geworden. Wenn der Spritzentag zum Beispiel nicht in den Urlaub fällt, brauchen wir nur was für den Notfall und eine Überweisung für ein Krankenhaus mitnehmen, falls etwas passiert. Aber auch da hatten wir immer Glück, und haben die Überweisung nie in Anspruch nehmen müssen. Auch benötigen wir nicht mehr so viel Material zum Spritzen.

Und dann war der Tag der endgültigen Umstellung da: nur noch selten spritzen! Es war eine vollkommen neue Situation. Dadurch, dass das alte Medikament immer früh morgens vor der Schule verabreicht wurde, kann Theo nun länger schlafen, bevor er in die Schule geht. Wir benötigen auch keinen zweiten Kühlschrank mehr als Lagerplatz für die Medikamente. Aber das Allerwichtigste ist: Wir haben bisher nie vergessen zu spritzen!

Rückblickend war diese Therapieumstellung das Beste, was uns passieren konnte. Auch wenn sie mit viel Angst und Zweifel verbunden war. Der nächste Schritt war, den Port entfernen zu lassen. Trotz der neuen Prophylaxe musste der Port alle vier Wochen gespült werden. Knapp ein Jahr nach der Umstellung war es dann so weit: der Port kam raus. Für Theo wieder ein neuer Lebensabschnitt, denn ein Leben ohne Port kannte er bis dahin nicht. 2017 wurde ihm der Port eingesetzt und 2024 wurde er entfernt. Nach der Operation hat er geweint und gesagt, dass ihm der Port fehlt – er sei doch ein Teil seines Körpers.

Theos Narbe vom Port schmerzt ihn und manchmal sagt er, dass es drückt. Wir pflegen die Stelle gut und cremen sie ein, sodass alles weich bleibt. Theo durfte den Port behalten – er hat den Operateur gefragt – und nun steht er in einem Gläschen auf seinem Regal. Er hat ihn auch schon mit in die Schule genommen und seinen Klassenkameraden gezeigt und ihnen erklärt, was ein Port ist und warum er ihn hatte.

Die Medizin macht so große Fortschritte – wer weiß, was in ein paar Jahren möglich sein wird und noch auf uns zukommt … Hoffentlich nur Gutes!

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