Danger Zone Christmas – auf der Flucht vor dem piksenden Weihnachtsbaum

Danger Zone Christmas – auf der Flucht vor dem piksenden Weihnachtsbaum

Gleich vorab – bevor die Leserin oder der Leser gleich nach den ersten Passagen an Schnappatmung und Kurzatmigkeit leidet: Wir klären hier mal über ein paar der für mich größten „FAILS“ bezüglich Weihnachtsgefahren im Bereich der Hämophilie auf.

Zur schweren Hämophilie A meines Sohnes werde ich oft zum alltäglichen Umgang mit der Erkrankung im häuslichen Umfeld befragt. Es gibt für mich nie falsche, komische oder dumme Fragen. Die Gesellschaft ist leider zu wenig aufgeklärt über Hämophilie und ich teile gerne unsere bisher gemachten Erfahrungen.

Fröhliche Weihnacht überall?

Die Weihnachtszeit – ein Moment der Wärme, der Freude und des Zusammenseins. Und was wäre Weihnachten denn nur ohne all die Gefahren, die in dieser herzlichen Zeit für die Hämophilie-Gemeinschaft ausgehen? Der hinterlistige Adventskranz, der mit seinen brennenden Kerzen nur darauf wartet, die Griffel unserer Kinder zu erwischen. Der fiese Baumschmuck, der sich mit Freude auf den Boden stürzt, um dann zersplittert auf die zarten Füßlein zu warten. Und dann noch der Endgegner der Eltern – der Weihnachtsbaum! Dieses monströse Ding mit seinen stacheligen Fangarmen flitzt uns den ganzen Tag hinterher, um unseren Kindern in den Hintern zu piksen.

Meine bisher gesammelten Weihnachtserfahrungen

Sieht also so aus, dass es für Kinder mit Hämophilie zusätzlicher Planung und Vorsichtsmaßnahmen zur anstehenden Feiertagszeit bedarf, oder?!

NATÜRLICH NICHT! Also irgendwie schon, aber nicht so. Nicht mehr oder weniger als auch im alltäglichen Umgang mit schwerer Hämophilie. Also lasst uns mal gemeinsam schauen, was ich zu dem Thema nach 4 Jahren Weihnachten so zusammenbekomme:

Man muss sicherstellen, dass Weihnachten so gestaltet wird, dass bestimmte Aktivitäten möglicherweise mit Vorsicht oder sogar Verzicht angegangen werden müssen, um das Verletzungsrisiko zu minimieren?

Nö – in der Regel sterbe ich beim Zuschauen waghalsiger Laufradübungen meines Sohnes mit Vollstoff den Berg hinunter (das Wort Bremse will er noch nicht so wirklich kennen). Das passiert in der Regel eher außerhalb der Weihnachtszeit. An Weihnachten läuft alles etwas entspannter ab, und er spielt gelassen vor dem Weihnachtsbaum. So kann ich meinen Geist auf das kommende Jahr vorbereiten, wenn er mit seinem Gokart den Hang hinunter in die Nachbarmauer rast, ich in dem Moment vor mich hinsterbe, in sein Gesicht schaue und er das unter Hämophilie-Eltern magische, hochgefürchtete Wort „nochmal“ hervorbringt.

Das Zubereiten vom Weihnachtsfestmahl erfordert besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht, damit keine scharfen Messer und heiße Herdplatten zu Verletzungen führen können?

Nö – man glaubt es kaum, aber tatsächlich kochen wir das ganze Jahr. Also passen wir nicht mehr oder weniger als sonst auch auf. Bezüglich der Gefahren gilt hier der gesunde Menschenverstand. Einem Kleinkind sollte man, unabhängig von Hämophilie, nicht gerade das scharfe Küchenmesser in die Hand drücken. Trotzdem will ich Euch an der Stelle animieren: Lasst Eure Kinder mit Euch backen und kochen. Ich finde, das ist wichtig für die Motorik, aber auch dafür hineinzuwachsen und zu verstehen, was geht an dieser Stelle und was nicht. Zudem stärkt es die familiäre Bindung.

Der Adventskranz – Advent Advent, die Bude brennt?

Nö – ein Adventskranz ist für kleine Kinder etwas ziemlich Cooles. Allerdings nur beaufsichtigt und so platziert, dass unsere kleinen Lieblinge nicht einfach so daran rumspielen können, wenn wir doch mal nicht aufpassen. Am Adventskranz lassen sich Weihnachten samt der Lieder und Traditionen spielerisch erklären. Unser Sohn darf natürlich die Kerzen nicht anzünden, aber z. B. beaufsichtigt auspusten. Das bereitet ihm sehr viel Freude. Auch tolle Wachsfiguren und Bälle lassen sich aus dem frisch abkühlenden Wachs formen. Dass die Wachsbällchen öfters in meinem Gesicht landen, findet er witzig. Aber er hat seinen Spaß und ich freue mich, wenn er lacht. Ebenfalls freut sich unser Sohn schon immer auf die kommende Adventswoche, wenn zusätzliche Kerzen angezündet werden dürfen. Und das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, denn meiner Meinung nach, gehen in der heutigen Gesellschaft, in der aller Besitz irgendwie erschwinglich und erreichbar scheint, Freude und vor allem Vorfreude verloren. Also eine Win-Win-Situation. Irgendwie ist für mich die Adventskerze Standard. Mein Sohn freut sich darauf und ich freue mich auf sein Funkeln in den Augen, wenn die kommende Adventskerze angezündet wird. Ich sage ja, so ein Adventskranz ist schon etwas Cooles.

Der Weihnachtsbaum – mit seinen Nadeln bildet er das Zentrum vieler festlicher Verletzungen. Stellt er eine Gefahr für hämophile Kleinkinder da?

Nö – unser Sohn bekommt eher einen Holzsplitter beim Spielen im Wald, als dass etwas beim Weihnachtsbaum passiert. Übrigens ist auch das gemeinsame Schmücken des Weihnachtsbaumes kein Problem und macht riesigen Spaß. Das Schmücken des Baumes erfordert eventuell etwas Hilfe. Gläserne Weihnachtskugeln sollten so platziert werden, dass altersgerecht keine Gefahren ausgehen, sollte eine Kugel auf den Boden fallen. Aber auch hier gilt: Bei der Gelegenheit kann man dem kleinen Liebling etwas Sicherheit im Umgang mit der Erkrankung vermitteln.

Achtung Klassiker – unkontrollierte Geschenke der Familie! Gefahr oder Mythos?

Ja – hier sollte man sich tatsächlich im Vorfeld abstimmen. Geschenke sind ein zentraler Bestandteil von Weihnachten. Angehörige und Freundeskreis sollten aufgeklärt sein und Absprache halten, was geschenkt werden soll. Ein Spielzeugschwert birgt ein größeres Verletzungsrisiko als eine Holzeisenbahn. Hier sollte man mit Bedacht abwägen, was zum eigenen Kind passt und sinnvoll im Umgang mit der Hämophilie ist.

Es gibt allgemein betrachtet sicherlich unterschiedliche Ansichtsweisen, wie man trotz der alltäglichen Herausforderungen im Umgang mit der Hämophilie die Weihnachtszeit genießt. Anpassungen und Vorsichtsmaßnahmen sollten immer so getroffen werden, dass sichergestellt ist, dass die festlichen Traditionen für alle Beteiligten gewahrt bleiben können und niemand große Einschnitte in der Lebensqualität verzeichnet. Letztlich wollen wir Eltern immer die Gesundheit und Sicherheit unserer Kinder gewährleisten, das gilt mit oder ohne Hämophilie.

Die Weihnachtszeit ist die Zeit, in der viele von uns sich intensivere Gedanken machen und sich mit dem einen oder anderen Thema auseinandersetzen. So sind wir dankbar, dass es heute richtig gute Therapiemöglichkeiten gibt und unser Sohn Freiheiten genießen darf, die vor einigen Jahren noch undenkbar erschienen.

Was ist mein persönliches Fazit – vielleicht an dieser Stelle mit der allgemeinen Fragestellung: Bringt die Weihnachtszeit besondere Herausforderungen mit sich?

Nö – für mich ist es ein Monat wie jeder andere auch und das dank der Therapiemöglichkeiten. Außer vielleicht, dass ich mehr Fürsorge und Achtsamkeit empfinde, was am typischen Weihnachtsflair liegt.

Wir schmückten heute mit unserem Sohn zusammen den Weihnachtsbaum. Ihm fiel eine Glaskugel auf den Boden und zersplitterte. Ich sagte ganz entspannt: „Moritz nicht bewegen“ und er verstand auch warum. Ich sammelte alle großen Scherben auf und kehrte den Rest weg. Er hat gelernt, dass Dinge auch mal kaputt gehen und er vorsichtig mit Gegenständen umgehen muss. Eine wertvolle Erfahrung.

Ich wünsche Euch allen eine frohe Weihnachtszeit und denkt daran: Alles ist möglich, dem, der da glaubt.

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Inhaltlich geprüft, M-DE-00019800, 18.12.2023