Wenn es doch sein muss – das künstliche Gelenk bei Hämophilie A

Wenn es doch sein muss – das künstliche Gelenk bei Hämophilie A

Das Therapieziel „Zero Bleeds“ kann nicht immer zu 100 Prozent erreicht werden. Manchmal passiert es einfach und dann ist es doch zu einer Gelenkblutung gekommen. Mit den Jahren sammeln sie sich zunächst oft unbemerkt an und führen schleichend zu größeren Schäden. Schließlich können eingeschränkte Beweglichkeit und Schmerzen ein künstliches Gelenk erforderlich machen.

Manche Gelenke werden mehr beansprucht als andere, je nachdem, welche Bewegungen und Aktivitäten wir im Laufe unseres Lebens besonders häufig ausüben. Das Kniegelenk ist deswegen besonders robust und für große Belastungen ausgelegt. Doch trotzdem kommt es bei vielen Menschen zu Verschleiß – einer Arthrose.

Angehäufte Blutungen in Zielgelenken führen zu Verschleiß und Schmerzen

Die Gelenke, die bei Hämophilen besonders häufig von Blutungen betroffen sind, nennt man Zielgelenke. In der Regel sind das die Knie-, Sprung- und Ellenbogengelenke. Vor allem ältere Hämophile haben dort mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen zu kämpfen. Das liegt nicht nur daran, dass sich mit den Jahren die durch die Blutungen entstandenen Schäden angehäuft haben, sondern auch daran, dass es früher noch nicht die medizinischen (und prophylaktischen) Möglichkeiten gab, die es heute gibt und das Wissen sowohl der Ärzteschaft als auch der Betroffenen noch nicht so tiefgehend war wie heute.

Info

Übrigens: Es werden weiterhin neue Medikamente entwickelt und wissenschaftliche Erkenntnisse sorgen für neue Bewertungen. Zum Beispiel wird erst seit einiger Zeit (2022) eine prophylaktische Therapie nun auch für die mittelschwere Hämophilie empfohlen: „Aus diesem Grunde soll bei Vorliegen einer schweren und mittelschweren Hämophilie die frühzeitige und ausreichende prophylaktische Substitutionstherapie erfolgen, um Blutungen und deren Folgen zu vermeiden.“1

Gelenkprothese und Gelenkversteifung können die Lebensqualität wieder steigern

Bei sehr starken Gelenkschäden und damit einhergehenden Schmerzen gibt es zwei Methoden: Die Versteifung des Gelenks und die Gelenkprothese. So weit sollte es natürlich gar nicht erst kommen, aber wenn doch, sind dies wertvolle Optionen, um ein schmerzfreieres und aktiveres Leben zu ermöglichen. Wie Du im Kurzinterview mit Markus lesen kannst war für ihn das neue Kniegelenk eine sehr gute Entscheidung.

Die Sprung-, Knie- und Hüftgelenke sind bei allen Menschen stark beanspruchte Körperstellen, an denen es häufig zu Arthrosen kommt, die Schmerzen verursachen und einen künstlichen Ersatz erfordern. So hat das Einsetzen von Gelenkprothesen eine lange orthopädische Geschichte und ist kein seltener Eingriff. Du solltest keine Schwierigkeiten haben, eine Klinik zu finden, an der solche Eingriffe routinemäßig vorgenommen werden.

Bei einer künstlichen Versteifung – einer Arthrodese – werden zerstörte Knorpel- und Knochenstellen des Gelenks entnommen und dann die beiden Knochen des Gelenks dauerhaft fixiert. Dazu werden Schrauben, Platten oder Drähte benutzt. Eine Versteifung des Sprunggelenks ist eine häufige Lösung, da ein normaler Gang weiterhin möglich ist.

Wie läuft der Einsatz einer Gelenkprothese ab?

Wenn Du überlegst, ob ein chirurgischer Eingriff für Dich infrage kommt, sprich mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt darüber. Nimm Dir im Vorfeld bereits etwas Zeit dafür, sammle Deine Fragen, sodass Du bereit bist für das „Shared Decision Making“ (SDM), denn bei großen Operationen dieser Art gibt es einige Für und Wider abzuwägen.

Ein künstliches Gelenk besteht aus speziellen Metalllegierungen und Kunststoffen. Bei einer Kniegelenkprothese etwa wird ein Metallteil fest mit dem Oberschenkelknochen und ein weiteres Metallteil mit dem Unterschenkelknochen verbunden. Der Kunststoffteil bildet die Gleitfläche zwischen den Beiden.

Wie lange dauert die Heilung nach einer Operation?

Nach der Operation wird die Heilung einige Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Wichtig ist, dass Du in dieser Zeit möglichst aktiv bist – natürlich entsprechend dem Heilungsgrad – und dass Du aber gleichzeitig auch vorsichtig bist, um nicht leichtfertig zu stürzen. Dabei wirst Du nicht allein gelassen: Gleich am Tag nach der Operation wird mit der Frührehabilitation durch eine Physiotherapeutin oder einen Physiotherapeuten begonnen. Nach dem Krankenhausaufenthalt wirst Du eine ambulante, teilstationäre oder auch stationäre Rehabilitation (Reha) weiterführen.

Nachdem die Heilung abgeschlossen ist und sich die Muskeln, Sehnen und Bänder erholt haben, kannst Du Dich wieder weitgehend wie gewohnt bewegen. Sportarten, die das künstliche Gelenk besonders belasten, müssen allerdings vermieden werden. Mit einem neuen künstlichen Knie solltest Du nicht joggen, Tennis oder Fußball spielen. Radfahren, schwimmen und tanzen sollten aber weiterhin möglich sein.

3 Fragen an … Markus

Gab es auch Argumente, die gegen ein neues Kniegelenk sprachen?

Klar gibt es immer Fälle, in denen nicht alles gut läuft und es nachträglich Eingriffe erfordert oder nicht das erreicht wird, was man sich wünscht – ich bin aber immer zuversichtlich und habe einfach „ja“ zu der Operation gesagt.

Im Nachhinein habe ich wohl viel Glück gehabt, denn ich hatte sehr starke Verformungs-, Streck- und Biegedefizite – aber das Resultat ist toll!

Wie lange hat die Heilung gedauert?

Nach der Operation vom schlimmeren rechten Knie bin ich schon nach 5 Wochen wieder mit dem E-Bike unterwegs gewesen. Und nach der Operation der linken Seite habe ich bereits nach 2,5 Monaten ohne Unterstützung meine erste 100-km-Tour bestritten.

Welche Nachteile bringen die künstlichen Gelenke mit sich?

Das hört sich jetzt sicher komisch an, aber ich kann mehr Sportarten machen als vorher, zum Beispiel kann ich wieder Tanzen, Wandern und Skifahren.

Damals, als ich nur biken konnte, hatte ich allerdings eine bessere Ausdauer, Körperstabilität und Kraft, denn fahrradgefahren bin ich dafür sehr intensiv.

Quellen:

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