Was das Kleinkindalter mit Hämophilie A für uns mit sich brachte

Was das Kleinkindalter mit Hämophilie A für uns mit sich brachte

Nach den ersten Wochen in einer Art Schockstarre, in der wir uns alle durch die Diagnose Hämophilie A bei unserem kleinen Sohn befanden, beschloss ich als Mutter, meine Kräfte wieder zu sammeln und Wege zu finden.

Ich entschloss mich, alles zu tun, was die Muskulatur und die Beweglichkeit eines Kleinkindes unterstützen könnte. Wasser war meine erste Wahl – deshalb gingen wir dreimal die Woche ins Schwimmbad. Aus Kulanz durfte ich sogar ohne Eintritt ins Bad kommen, was mir sehr entgegenkam. Unser Sohn konnte im Wasser strampeln und toben, ohne sich zu verletzten. Allerdings wurde er, meiner Meinung nach, dadurch sehr lebhaft.  

Ruhe bewahren beim Laufen lernen

Auch zu Lande gab es kein Halten mehr. Die Zeit des Krabbelns ließ er komplett aus und fing schon vor dem ersten Lebensjahr an, sich überall hochzuziehen. Ich glaube, es können da einige mitfühlen, wie angespannt diese Zeit war. Ein Hin und Her zwischen in Watte packen und ganz locker bleiben. Von einigen anderen Eltern bekam ich mit, dass sie ihrem hämophilen Sohn als Schutz vor inneren Kopfverletzungen einen Helm aufsetzten. Schließlich knallen Kleinkinder oftmals in ihrer Euphorie mit dem Kopf auf den Boden. Noch größer als die Angst vor Kopfverletzungen war allerdings meine Angst vor einem psychischen Schaden, den ich dem Tragen eines Helmes zuschrieb.

Letztendlich bekam unser – im wahrsten Sinne – Wirbelwind Sportschweißbänder für die Knie und Ellenbogen und einen Lauflernwagen, mit dem er durch unser Haus raste. Mit einem Brustgurt samt Leine machten wir dann Ausflüge. Als er ein paar Wochen später einen sicheren Gang hatte, durfte er wieder ohne alles durch die Gegend flitzen. Allerdings kostete uns dies ganz schön viel Überwindung

Vor dem Kindergarten – Familien-Reha

Unsere Kinderärztin riet uns zu einer Familien-Reha, bevor die Kindergartenzeit anstand. Vier Wochen waren wir dort mit krebskranken Kindern, deren Geschwistern und Eltern in einer wunderschönen Einrichtung. Wenn ich daran zurückdenke, war es eine zwar harte, aber sehr hilfreiche Zeit. Vor allem haben wir als Familie gelernt, dass man auch mit einem kranken Kind am Leben teilhaben und trotzdem Spaß haben darf – was bei uns zu Dankbarkeit und alles in allem zu einem Gefühl der Zufriedenheit führte. Unser Sohn besuchte dort einen Kindergarten, wir hatten Anwendungen und Gespräche. Rund um die Uhr war ein Kinderarzt vor Ort, der uns die Sicherheit gab, nicht dauernd unter einem Kontrollzwang stehen zu müssen.  

Unsere Kindergartenzeit mit Hämophilie A

Danach waren wir in unserer Entscheidung gestärkt, Niklas in unseren benachbarten Regelkindergarten zu geben. Wir waren der dortigen Leiterin sehr dankbar, dass sie uns zusagte, unseren Sohn aufzunehmen, nachdem wir sie ausführlich informiert hatten. Eigentlich dachten wir, dass ein im Nachbarort ansässiger Arzt dreimal in der Woche den Faktor verabreichen würde, dieser traute sich dann aber nicht an die Venen eines Kindes. Ein mobiler Kinderpflegedienst durfte ohne Ärztin oder Arzt keine Injektion in Venen spritzen.

Somit hatte ich nur die Möglichkeit, nach meiner Teilzeitarbeit die 30 Kilometer Entfernung zum Kindergarten zu fahren und dann auf direktem Weg die gleichen 30 Kilometer wieder zurück zur Kinderärztin. Auch ihr war ich so dankbar, dass ich immer gleich ins Labor durchlaufen durfte und nicht noch ins Wartezimmer musste. Und sie war so verständnisvoll mit unserem Kind, das dreimal die Woche lautstark sang und nebenbei im Labor auf dem Metalabfalleimer Schlagzeug spielte. 

Für die Erzieherin im Kindergarten war unser Sohn allerdings zu lebhaft. Sie riet uns, das erste Jahr auf eine Ganztagsbetreuung zu verzichten und dafür eine Ergotherapie zu machen. Im Nachhinein war es gut für ihn. Damals hätte ich allerdings die paar Stunden gebraucht, um mich von meiner Angespanntheit zu erholen.  

Nichtsdestotrotz verlief die gesamte Kindergartenzeit ohne große Komplikationen und ohne Verletzungen, was vor allem unseren großen Zeitaufwand belohnte. Wir hatten einen glücklichen hämophilen Jungen und lernten in Dankbarkeit zu leben. 

Hast Du Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail über das Kontaktformular. Wir melden uns schnellstmöglich zurück.

M-DE-00019369